25. June 2024; Von: Karin Babbe , Fee Kyriakopoulos

Ganztag und Raum: Mit kreativen Methoden zum integrierten Nutzungskonzept

Im Mülheimer Pilotprojekt, der Grundschule am Dichterviertel, sind Wunder kein Zufall, sondern Methode. Die beiden Prozessbegleiterinnen geben einen Einblick in ihre Arbeitsweise – mit einem Link zu einem Podcast, der in dem Prozess eine besondere Rolle gespielt hat.

Wenn der Hausmeister Vogelgezwitscher auf der Toilette hört …

… und die Schüler*innen um 20:00 Uhr noch einmal wissen möchten, was die Ruhr-Universität zu Sauriern weiß, dann ist vielleicht doch ein Wunder geschehen. Oder: Was kann man mit 25 wundervollen Schulfantasien für die Zukunft in Planungsprozessen anfangen? Eine Form und Methode dazu stellen wir in diesem Beitrag vor. Also – fangen wir an!

In der schulpreisgekrönten „Grundschule am Dichterviertel“ in Mülheim an der Ruhr (ggschule-am-dichterviertel.com) begann im Sommer 2023 das Projekt „Ganztag und Raum“. Wie in den anderen Pilotprojekten ist es das Ziel, ein integriertes Nutzungskonzept zu entwickeln, das die additiven Strukturen von „Schule (Bildung)“ und „Jugendhilfeangeboten (Betreuung)“ sowohl pädagogisch-didaktisch als auch organisatorisch und räumlich auflöst. Wir, Karin Babbe, Pädagogin, und Fee Kyriakopoulos, Architektin, waren als Prozessteam mit der Begleitung dieses Standorts beauftragt.

Der Beginn: Die Planung des Prozesses

Der Beginn des Prozesses umfasste eine anfängliche Bestandsaufnahme: eine äußere und innere Begehung der Räumlichkeiten und leitfadengestützte Interviews mit allen Beteiligten vor Ort. Es galt, die spezifische DNA der Schule zu ergründen und die identifizierten Ressourcen und Potentiale für die weitere Arbeit über das Schuljahr hinweg zu nutzen. Die Interviews wurden mit Pädagog*innengruppen, dem Schulleitungsteam, dem Hausmeister und der Sekretärin, den Eltern, dem freien Träger des Ganztags, dem Bildungsbüro der Stadt Mülheim und der Kommune (Schulträger und Gebäudemanagement) geführt. Auf Grundlage der Interviewergebnisse und der Bestandsaufnahme haben wir den Prozess pädagogisch, organisatorisch und räumlich geplant.

Die letzte Frage innerhalb der Interviews, die sogenannte „Wunderfrage“, entließ die Gesprächspartner*innen in eine visionäre Zukunft. Auf diese Weise sammelte das Projektteam Gedanken, Fantasien und Wünsche. Ein großes pädagogisches Füllhorn entstand.

Mit kreativen Methoden zum integrierten Nutzungskonzept

Nun galt es zu überlegen, wie dieses Füllhorn zu erschließen und die Inhalte in eine Form zu bringen sind, um der Schule in der weiteren Arbeit am Projekt zu nutzen. Im oben skizzierten Arbeitsrahmen mit der Grundschule am Dichterviertel war mit der Bestandsaufnahme – auch den Zukunftsvisionen – ein Startpunkt gesetzt, dem weitere Etappen wie der Visionenworkshop, die Forscherwerkstätten mit dem Kinderparlament, Werkstattgespräche, Exkursionen an andere Schulen und Möblierungsworkshops folgen sollten. Das Ziel: am Ende des Schuljahres ein Nutzungskonzept für die gute inklusive Schule den ganzen Tag lang für alle Kinder mit vollständiger Partizipation aller Nutzergruppen entwickelt zu haben.

Zurück zur Wunderfrage!

Da Fantasie bekanntlich ansteckt, verfassten wir eine kleine Erzählung von einem Wunder über Nacht, die die Visionen der Befragten zu einem erfahrbaren Rundgang verknüpft. Die Geschichte „Wunder-Voll“ wurde anschließend als Podcast produziert und damit hörbar gemacht. Was kann die Schulgemeinschaft nun damit anfangen?

Im Verlauf der weiteren Arbeit wurde der Aspekt der Rhythmisierung des Schultages (i. S. v. „Gutes Lernen den ganzen Tag“) besonders virulent. In dem Visionenworkshop wurden daher mit den aus der Bestandsaufnahme destillierten allgemeinen Lernhandlungen über den ganzen Tag vier neue Rhythmisierungsmodelle entwickelt.

In einem weiteren Schritt wurde ein qualitatives Nutzungskonzept für die zur Verfügung stehenden Räume entworfen und deren jeweils spezifische Raumqualitäten definiert.

Puh! Welch ein großer Schritt war an diesem Tag geschafft worden! Die Bilder zeigen es!

Schließlich wurde zur Vertiefung und Reflexion als Tagesabschluss das Anhören der Erzählung „Wunder-Voll“ aus den Ideen der Schule angeboten. Vertiefung und Reflexion bedeutete in diesem Abschnitt der Konzeptentwicklung, dass die abstrakte Ebene der Visionen in eine visionäre Konkretion überführt wurde. Imaginierte Kinder erleben im Podcast einen Schultag in der Zukunft. Das Anhören ermöglichte es den Mitgliedern des Workshops, die eigenen, individuellen Konstruktionen von gutem Lernen, von Lernhandlungen den ganzen Tag lang und von kluger Rhythmisierung imaginierte Wirklichkeit werden zu lassen. Dabei entstanden Passungen, Übereinstimmungen und Widersprüche. Genau diese Auseinandersetzung rundete den erarbeiteten Stand eines Nutzungskonzeptes an dem Tag ab und wirkte gleichzeitig weiter für die folgende Denkarbeit. So wurden in der Folge Postkarten mit den individuellen Forscherfragen für die bevorstehenden beiden Schulbesuche geschrieben und gesammelt – unter anderem zu den Themen „Rhythmisierung und Teamarbeit“.

Oben können Sie sich den Ausschnitt unserer Arbeit selbst anhören - unter der Fragestellung „Welche Geschichtenideen ließen sich in ihren neuen Raumprinzipien schon leben?“ Wir wünschen allen Leser*innen des Blogs dabei mindestens genauso viel Spaß, wie ihn die Mühlheimer Arbeitsgruppe hatte!

Autor:innen

Karin Babbe

Freiberufliche Fachberaterin Schulentwicklung, Baupiloten, Prozessbegleitung Pädagogik „Ganztag und Raum“, Pilotprojekt in Mülheim a. d. Ruhr

Fee Kyriakopoulos

Dipl.-Ing. Fachrichtung Architektur, Baupiloten, Prozessbegleitung Architektur „Ganztag und Raum“, Pilotprojekt in Mülheim a. d. Ruhr

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Ganztag und Raum. Pilotprojekt Ulm: Martin-Schaffner-Schule

Dokumentation