24. May 2024; Von: Andrea Rokuß , Dorle Zweering

Ganztag und Raum: Räumliche Anforderungen durch Aktivitäten spielerisch neu denken

Im Bremer Pilotprojekt, der Grundschule an der Melanchthonstraße, nähert sich ein intensiver, spannender und lernreicher Prozess dem Ende. Die Prozessbegleiterinnen berichten: Was waren die Highlights im Prozess?

Zwei Systeme - Schule und Jugendhilfe – pädagogisch, organisatorisch und räumlich zusammenzuführen, das war das Ziel. Die Grundschule an der Melanchthonstraße in Bremen, derzeit eine verlässliche Grundschule bis 13 Uhr mit Hortangebot im Nachbargebäude, griff diese Idee im Rahmen des Prozesses „Ganztag und Raum“ auf. Gemeinsam mit der Montag Stiftung Jugend und Gesellschaft und uns als Prozessteam hat sich die Schule auf den Weg gemacht, ihr pädagogisches und räumliches und organisatorisches Ganztagskonzept neu zu denken.

Im Laufe des Prozesses wurden sieben Workshops durchgeführt. Diese Workshops konzentrierten sich auf die Entwicklung eines gemeinsamen Bildungsverständnisses und einer neuen, kindgerecht rhythmisierten Tagesstruktur, weitere Ziele waren die Schaffung zukunftsorientierter Lernorte sowie die Öffnung der Schule zum Quartier. Ebenfalls dazu gehörte die Partizipation der Schüler*innen, die mit der Beschreibung von Lieblingslernorten und der Visualisierung ihrer Vorstellung einer Traumschule eigenen Input einbrachten.

Eine wichtige Erkenntnis aus dem Prozess war, dass man sich vom Gewohnten lösen muss, um innovative Lösungen zu ermöglichen. Dabei helfen neben Lernreisen zu anderen Schulen – wie wir sie zur Heliosschule, Rosenmaarschule und der Offenen Schule in Köln gemacht haben – auch die kontinuierliche Ermutigung aller Beteiligten, in Aktivitäten zu beschreiben, wie sie in Zukunft arbeiten und lernen wollen. Um sicherzustellen, dass die Workshopteilnehmer*innen nicht zu schnell zu konkreten Lösungen übergehen und damit möglicherweise innovative Ansätze aufgrund der bestehenden Raumstruktur verwerfen, war es uns wichtig, sie durch einen spielerischen Ansatz an die zukünftigen Lernorte heranzuführen.

Wir setzten dabei auf einen erlebnisorientierten Ansatz mit der Methode LEGO® SERIOUS PLAY®. Wir arbeiten mit dieser Methode, um nachhaltige Lösungen für komplexe Fragestellungen zu erarbeiten. Basierend auf unserer Expertise in ähnlichen Prozessen haben wir die Teilnehmenden mit ihrer jeweiligen pädagogischen Expertise angesprochen und in den Workshop eingebunden. Insgesamt arbeiteten drei Workshop-Gruppen mit jeweils einem Set ausgewählter Bausteine, um verschiedene Aktivitäten einer zukünftigen Ganztagsgrundschule aus ihrer pädagogischen Perspektive zu visualisieren. Zu Beginn formulierten sie Aktivitäten entlang des Tagesablaufs, die sowohl von Kindern als auch von Erwachsenen durchgeführt werden. Hier hat es uns viel Freude bereitet zu beobachten, wie vertieft die Teilnehmer*innen im gemeinsamen Bauen und Austausch waren.

Anschließend ergänzten die Teilnehmenden diese Aktivitäten mit den dafür notwendigen Rahmenbedingungen und Atmosphären. Die spielerische und kreative Arbeit mit den Bausteinen ermöglichte es den Teilnehmenden, sich räumlich und pädagogisch von der aktuellen Situation zu lösen und zukünftige Bedarfe gemeinsam herauszuarbeiten. Auf Basis dieser Beschreibungen entwickelten die Teilnehmenden in einem weiteren Schritt mögliche Raummodelle für ihre Ganztagsgrundschule, die eine zukunftsorientierte Bildung ermöglichen und Raum für innovative Lernkonzepte bieten. Diese wiederum bilden die Grundlage für das integrierte Nutzungskonzept, das wir mit den Teilnehmenden in weiteren Workshops erarbeitet haben und das im September im Rahmen der Staffelübergabe feierlich an die Schule übergeben wird.

Hintergrund: Wie sind die Workshopgruppen zusammengesetzt?

Das Projekt „Ganztag und Raum“ der Montag Stiftung Jugend und Gesellschaft verbindet die Handlungsfelder der pädagogischen Architektur und der inklusiven ganztägigen Bildung miteinander. Um ein integriertes Nutzungskonzept zu entwickeln, das die additive Struktur von „Schule (Bildung)“ und „Jugendhilfeangebot (Betreuung)“ zu einem verzahnten Konzept zusammenführt, werden in den Workshopgruppen pädagogisch-didaktische, organisatorische und räumliche Fragen miteinander diskutiert. Entsprechend sind die Workshopgruppe der jeweiligen Pilotkommunen aus Vertreter*innen des Schulträgers, der Schulaufsicht, des Trägers der Jugendhilfe, des Gebäudemanagements, der Schule und ggf. Elternvertreter*innen besetzt. Darüber hinaus gibt es eine – ebenfalls multiprofessionell besetzte – Steuergruppe, die das Projekt kontinuierlich steuernd begleitet.

Die Prozesse, Methoden und Ergebnisse aus allen Pilotprojekten werden ausführlich dokumentiert. Die Dokumentation des ersten Pilotprojekts liegt bereits vor – alle weiteren sind ab September zum Download verfügbar.

Autor:innen

Andrea Rokuß

Dipl. Sozialpädagogin/Nonprofit-Managerin, confidio, Prozessbegleitung Pädagogik „Ganztag und Raum“, Pilotprojekt in Bremen

Dorle Zweering

Dipl.Ing. Innenarchitektur, gernot schulz : architektur, Prozessbegleitung Architektur „Ganztag und Raum“, Pilotprojekt in Bremen

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Ganztag und Raum. Pilotprojekt Ulm: Martin-Schaffner-Schule

Dokumentation