06. Juli 2017; Von: Franziska Spelleken

Neue Förderkriterien für den Schulbau: Symposium »Schulbau der Zukunft« in Berlin

Welche Anreize brauchen wir im Schulbau, um zukunftsfähige Schulen zu fördern? Entlang dieser Frage diskutierten Teilnehmer/innen am 20. Juni 2017 im DAZ Berlin mit Gästen aus der Politik.

Erstmals seit der Schulbauwelle in den Siebzigerjahren werden Kommunen und Ländern erhebliche Bundesfördermittel für den Schulbau zur Verfügung stehen. Bei einem geschätzten Investitionsstau von aktuell 32,8 Milliarden Euro [1] ist das die Chance, jetzt in innovative Schulgebäude zu investieren.
Mit den von Bund und Ländern zusätzlich zur Verfügung gestellten Mitteln für Sanierung und Neubau von Schulinfrastruktur, die teilweise nur befristet bis zum Jahr 2020 abrufbar sind [2], ist der Handlungsdruck in den Kommunalverwaltungen gestiegen. Nach Jahren der Mangelverwaltung, des Personalabbaus im kommunalen Hochbau und unzureichender Qualifizierung des Personals müssen nun die befristet zur Verfügung stehenden Förderungen schnellstmöglich in konkrete Projekte fließen. Vonseiten der Architekt/innen fehlt es häufig noch an innovativen baulichen Konzepten und auch Schulträger/innen und Schulkollegien mangelt es an fundierten pädagogischen Konzepten, die auf gesellschaftliche Veränderungen reagieren. Das alte Modell der Klassenraum-Flur-Schule kommt für leistungsfähige Schulbauten nicht mehr infrage. Dies bedeutet: Vorhandene Schulgebäude müssen an veränderte pädagogische Anforderungen angepasst, aber auch den aktuellen technischen, energetischen und ökologischen Standards entsprechend erneuert oder ersetzt werden.

Vor diesem Hintergrund hieß Heiner Farwick, Präsident des BDAs die 150 Teilnehmer/innen aus Pädagogik, kommunaler Verwaltung, Architektur und Stadtplanung sowie die Referent/innen und die beiden Kooperationspartner/innen am 20. Juni im Deutschen Architektur Zentrum in Berlin willkommen. Die Veranstalter des Symposiums »Schulbau der Zukunft« hatten sich zum Ziel gesetzt mit Teilnehmer/innen und Vertreter/innen aus der Politik Eckpunkte für ein neues Förderverständnis und Qualitätskriterien der Förderung zu erarbeiten. Dabei sollte vor allem geklärt werden, welche Anreizsysteme wir im Schulbau brauchen, um zukunftsfähige Schulen zu fördern.

Qualitätsoffensive Schulbau

Mit dem Kommunalinvestitionsförderungsfond über 3,5 Milliarden Euro, den der Bund aus dem Sondervermögen eingerichtet hat, sollen vor allem Schulinfrastruktur sowie energetische Sanierungen finanziert werden [3]. Das greife angesichts der aktuellen Herausforderungen viel zu kurz kritisierten die drei Veranstalter. „Notwendig für eine Qualitätsoffensive im Schulbau ist ein neues Förderverständnis“ erklärte Heiner Farwick, Präsident des BDA. Die von Bundestag und Bundesrat beschlossene Lockerung des Kooperationsverbotes im Grundgesetz sei Voraussetzung für die künftige Unterstützung des Bundes bei wichtigen Investitionen in die Bildungsinfrastruktur. Karl-Heinz Imhäuser von der Montag Stiftung Jugend und Gesellschaft forderte: „Damit die Trendwende im Schulbau gelingt, brauchen wir zentrale Kriterien, an denen sich die Förderprogramme ausrichten. Nur so können diese Finanzhilfen tatsächlich zu einer Qualitätsverbesserung führen und Fehler früherer Förderprogramme vermieden werden.” Der VBE-Bundesvorsitzende Udo Beckmann erklärte, Schulen seien derzeit eher „betonierte Lernhindernisse” als innovative Lehr- und Lernräume, die sie angesichts der vielfältigen pädagogischen Anforderungen an Lehrer/innen sein sollten.

Leitlinien für leistungsfähige Schulbauten

Martin zur Nedden, Leiter des Deutschen Instituts für Urbanistik DIFU hatte derweil positive Nachrichten: In den letzten drei Jahren wurde mehr Geld für Schulbau in den Kommunen und Ländern bereitgestellt. So stiegen die Investitionen von 5,9 Milliarden Euro (2016) auf aktuell 6,3 Milliarden Euro (2017) pro Jahr. Dabei seien aber vor allem mittel- und langfristige Kalkulierbarkeit die zentralen Kriterien, um qualifizierte personelle Ressourcen in kommunalen Verwaltungen und in der Bauwirtschaft aufzubauen und Planung und Prozesse zu optimieren.

Eine planerische, pädagogische und architektonische Orientierung für mittelfristige Schulbauinvestitionen bieten die »Leitlinien für leistungsfähige Schulbauten in Deutschland«. Sie stellen wichtiges Handlungswissen und qualitative Kriterien für die Aufstellung kommunaler oder regionaler Planungsrahmen zur Verfügung. Nachdem einige Bundesländer veraltete Schulbaurichtlinien und die dazu gehörigen Musterraumprogramme inzwischen ersatzlos abgeschafft haben, wurden in einzelnen Kommunen in Deutschland individuelle Schulbauleitlinien erarbeitet. Michael Gräbener vom Schulverwaltungsamt Köln, Hans Uwe Flunkert vom Gebäudemanagement der Stadt Wuppertal und Christel Fleischmann, Dezernent für Schule, Bauen, Umwelt und ÖPNV des Landkreis Darmstadt-Dieburg stellten die Planungsrahmen ihrer Kommunen vor:

Ergänzend zu den Raum und Funktionsbeschreibungen der „Schulbauleitlinien der Stadt Köln“ aus dem Jahr 2009 legte das Amt für Schulentwicklung der Stadt Köln 2016 einen neuen „Planungsrahmen für pädagogische Raumkonzepte an Kölner Schulen“ [4] auf Grundlage ihrer Erfahrungen bei den Pilotprojekten Bildungslandschaft Altstadt Nord und Heliosschulen in Zusammenarbeit mit den Montag Stiftungen, der nun bei allen aktuellen und zukünftigen Schulbaumaßnahmen umgesetzt werden soll. Dabei ist bei langfristigen Schulbauprojekten ein Projektentwicklungsprozess (Phase Null) geplant. Der Planungsrahmen gibt außerdem Cluster und Offene Lernlandschaft als die pädagogischen Raumkonzepte vor. Von den benötigten 28 Schulen sollen 18 bis spätestens 2025 bereitstehen.

Hans-Uwe Flunkert, Leiter des Gebäudemanagements, stellte die aktuellen Planungsvorgaben für den Schulbau der Stadt Wuppertal vor. Im Rahmen der Pilotprojekte „Schulen planen und bauen“ (2013-2015) hatte die Montag Stiftung Jugend und Gesellschaft die Stadt durch eine finanzierte Phase Null am Wilhelm-Dörpfeld-Gymnasium in Wuppertal-Elberfeld unterstützt [5]. Der Wettbewerb war die Initialzündung für eine in allen Schulbauprojekten integrierten Phase Null als verbindliche Planungsvorgabe.

Der Schul- und Baudezernent Christl Fleischmann berichtete von der aktuellen Umsetzung der Schulbauleitlinien im Landkreis Darmstadt-Dieburg. 2013 hat der Landkreis Darmstadt-Dieburg in Zusammenarbeit mit dem Stadtplanungsbüro Schneidermeyer, Stuttgart und dem Schulentwicklungs-Experten Dr. Otto Seydel basierend auf den Leitlinien zum wirtschaftlichen Bauen von 2008 die „Schulbauleitlinien des Landkreises Darmstadt-Dieburg (SBLLdadi)“ entwickelt [6]. Die Erfahrungen von mehreren Phase Null-Prozessen hatte in der Verwaltung zu einer strukturellen Veränderung geführt: Innerhalb des Gebäudemanagement der Stadt war eine Koordinationsstelle für die Durchführung des Projektplanungsprozesses Phase Null eingerichtet worden.

Im Anschluss stellten Barbara Pampe, Projektbereichsleitung Pädagogische Architektur bei der Montag Stiftung Jugend und Gesellschaft, und Doris Gruber vom Architekturbüro Gruber + Popp Architekten BDA die sechs Kernaussagen [7] vor, auf deren Grundlage die Teilnehmenden in interdisziplinären Arbeitsgruppen anschließend Kriterien für  Investitionen in den Schulbau diskutierten.

Ziele für ein neues Förderverständnis zwischen Bund, Ländern und Kommunen

Welche Kriterien müssen Kommunen und Schulträger bei der Sanierung bzw. beim Neubau von Schulen erfüllen, um eine Förderung zu erhalten? Unter dieser Fragestellung formulierten die Teilnehmenden in der Arbeitsgruppenphase Empfehlungen, die im anschließenden Plenum vorgestellt wurden. Dabei reichten die geforderten Kriterien und Anforderungen von einer verbindlichen Phase Null mit externer Beratung über mittel- und langfristige Förderlaufzeiten bis hin zur verpflichtenden Einbindung der Schule in den Stadtteil. Im Anschluss hatten die Teilnehmer/innen die Gelegenheit, die vorgestellte Kriterien an einem Tisch mit Gästen aus der Politik (Stefanie Remlinger, Bündnis 90/Die Grünen, und Nicola Beer, FDP, Michael Kretschmer, CDU, und Ernst-Dieter Rossmann, SPD) zu diskutieren.

Die im Rahmen des Symposiums von allen Teilnehmenden aus Pädagogik, kommunaler Verwaltung, Architektur und Stadtplanung formulierten Kriterien sollen als Positionspapier veröffentlicht werden.

In der Sendung „Campus & Karriere“ vom 20.06.2017 im Deutschlandfunk Kultur berichtete Philip Bense vom Symposium Schulbau der Zukunft, hier zum Nachhören als Podcast:
www.deutschlandfunk.de/campus-karriere

Der BDA berichtet zum Symposium:
www.bda-bund.de/schulbau-der-zukunft-ein-symposium-in-berlin/

Fotos: Micki Rosi Richter, Berlin

[1] KfW Kommunalpanel 2017:

www.difu.de/kfw-kommunalpanel_2017.pdf

[2] Kommunalinvestitionsförderungsgesetz und 2 Mrd. Programm NRW.Bank.Gute Schule

[3] Stellungnahme des Bundesrates zum Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des bundesstaatlichen Finanzausgleichsystems (10.02.2017):
www.bundesrat.de

[4] Stadt Köln: „Planungsrahmen für pädagogische Raumkonzepte an Kölner Schulen“:

www.stadt-koeln.de/planungsrahmen-fue-paedag-raumkonzepte.pdf

[5] Fünfmal Phase Null – Dokumentation der Ergebnisse aus den Pilotprojekten:
www.schulen-planen-und-bauen.de/pilotprojekte/

[6] Landkreises Darmstadt-Dieburg: „Schulbauleitlinien des Landkreises Darmstadt-Dieburg (SBLLdadi)“:
www.ladadi.de/ziele-und-aufgaben-schulbau

[7] Die sechs Kernaussagen werden in Kapitel 3.1-6 der Leitlinien für leistungsfähige Schulbauten in Deutschland ausgeführt. Eine Zusammenfassung finden Sie im Programm zum Symposium Schulbau der Zukunft.