29. February 2024; Von: Dr. Meike Kricke , Barbara Pampe , Lisa Lemke

Austausch & Vernetzen – Netzwerkveranstaltung „Ganztag und Raum“

Im Rahmen des Projekts „Ganztag und Raum“ trafen sich über 90 Akteur*innen aus Verwaltung, Schule, Architektur und Pädagogik in der Bildungslandschaft Altstadt Nord in Köln, um über die räumliche wie pädagogische Umsetzung des Rechtsanspruchs auf ganztägige Förderung zu diskutieren – mit Einblicken aus den aktuellen Pilotprojekten.

Das Projekt „Ganztag und Raum“ wird aktuell an vier Pilotstandorten in Lüdenscheid, Jork-Königreich, Mülheim a. d. R. und Bremen durchgeführt. Das erste Pilotprojekt an der Martin-Schaffner-Schule in Ulm ist bereits abgeschlossen. Auf einer gemeinsamen Netzwerkveranstaltung am 7. Februar 2024 in Köln berichteten Projektbeteiligte von allen Standorten über ihre Lösungen und den Weg dorthin.

Blick aus Ulm: Es braucht Mut zur Veränderung

Milica Jeremic, Leiterin des städtischen Gebäudemanagements in Ulm, Melanie Williams, Teamleitung Bildung und Sport der Stadt Ulm sowie die beiden Vorständinnen der Montag Stiftung Jugend und Gesellschaft, Barbara Pampe und Dr. Meike Kricke, warfen zu Beginn der Veranstaltung einen Blick auf die Umsetzung von „Ganztag und Raum“ in Ulm.

Ihr Fazit: Um ein integriertes Nutzungskonzept zu entwickeln, das die Trennung von Vor- und Nachmittag sowohl pädagogisch-didaktisch als auch organisatorisch und räumlich auflöst, braucht es von allen vor Ort Mut zur Veränderung. Wichtige Akteure*innen sollten von Beginn an beteiligt werden: Schule, Schulträger, Gebäudemanagement, Schulaufsicht, Träger der Jugendhilfe – und vor allem die Kinder. Dabei ist die Umsetzung und Weiterentwicklung des integrierten Nutzungskonzepts ein Prozess, der weit über den Projektzeitlauf von einem Jahr hinausgeht. Dafür braucht es einen langen Atem und Veränderungsenergie. Auch nach der baulichen Umsetzung ist die pädagogische und organisatorische Arbeit am Ganztag nicht beendet. Es ist ein kontinuierlicher gemeinsamer Entwicklungsprozess, qualitativ hochwertige Bildung über den ganzen Tag anzubieten.

Kurzimpulse rund um „Ganztag und Raum“ am Nachmittag

Am Nachmittag boten Kurzimpulse aus den aktuellen Pilotprojekten sowie thematische Impulse Gelegenheit zum gemeinsamen Austausch:

Gelebte multiprofessionelle Teamarbeit in neuen Räumlichkeiten – die Ganztagsgrundschule Baumschulenweg in Bremen

Lars Beulke, Schulleiter der Ganztagsgrundschule Baumschulenweg in Bremen, und Alexander Koblitz von kleyer.koblitz.letzel.freivogel architekten aus Berlin stellten vor, wie die räumliche Konzeption des im Sommer 2023 fertiggestellten Gebäudes in enger Zusammenarbeit mit Verwaltung und Schule entstanden ist. Dabei ging es auch um die konkrete pädagogische Nutzung der multiprofessionellen Teams im Wechselspiel mit der darauf abgestimmten Architektur, die bereits in einem früheren Projekt in einer ausführlichen Phase Null gemeinsam mit der Stiftung entstanden ist.

Innerhalb des Ganztags arbeiten so beispielsweise multiprofessionelle Teams in eigenständigen pädagogischen Einheiten. Dabei schafft das neue Gebäude durch Teamräume gute Rahmenbedingungen, um sich dort den ganzen Tag aufzuhalten, zu arbeiten und zu besprechen. Damit diese Passung von Raum, Pädagogik und Organisation entsteht, müssen alle Beteiligten im gesamten Prozess – von Phase Null bis zum Einzug und darüber hinaus – ihre jeweilige Expertise und Nutzungsperspektive einbringen.

Alle ganz da! Beteiligung aller Kinder im Projekt „Ganztag und Raum“ in Jork-Königreich

Maria Isabettini, Architektin Büro nonconform und Prozessbegleiterin Architektur in Jork-Königreich, stellte gemeinsam mit Yvonne Lawes, Schulleiterin der Grundschule an der Este in Jork, und Karina Klingbeil, Leiterin des Hortes „Kita an der Este“, die Kinderbeteiligung im Rahmen ihres Pilotprojektes vor.

Das Motto „alle ganz da!“ spiegelt sich im gesamten Prozessablauf, der als Spiel konzipiert war, wider. „Ziel des Spiels ist es, die Lösungsstrategien, die auf Basis verschiedener Systeme und Fachrichtungen von allen Beteiligten selbstständig und selbstmächtig ausfindig gemacht werden, zusammenzuführen und als integriertes Konzept für alle nachhaltig nutzbar, nachvollziehbar und zugänglich zu machen. Dabei soll die Gemeinschaft befähigt werden, ihre Schule als Lern- und Lebensraum immer wieder eigenständig neu- und weiterzudenken. Und das mit einem neuen Verständnis der Gleichberechtigung und der Selbstwirksamkeit.“ Um dies zu gewährleisten, wurde bereits von Beginn an die gesamte (Schul-)Gemeinschaft in das Projekt „Ganztag und Raum“ involviert: durch einen gemeinsame Kick-off, Workshops, AGs und Projekttage.

Ihr Fazit: Der Aufwand, mit allen – Erwachsenen und Kindern – an einem neuen Ganztag sowohl räumlich als auch pädagogisch und organisatorisch zu arbeiten, lohnt sich. Die entstehenden Lösungen enthalten Qualitäten, die aus verschiedenen Perspektiven gedacht sind. Gleichzeitig wird das zukünftige Nutzungskonzept von allen mitgetragen und eine Identifikation wird von Beginn an möglich.

Volle Kraft voraus – Teamentwicklung und ein gemeinsames Bildungsverständnis an der Tinsberger Schule

Tadi Ortolf, Schulleiterin der Tinsberger Schule in Lüdenscheid, Anke Hardenacke, stellvertretende Schulleiterin, Nesrin Emektar, Leiterin der OGS an der Tinsberger Schule und Karolin Kaiser, büro luchterhandt & partner und Prozessbegleiterin Architektur im Projekt in Lüdenscheid, stellten vor, wie sich das Team und ein gemeinsames Bildungsverständnis über das Projekt weiterentwickeln. Nach der Vorstellung von Gebäude und der Nutzung der Räumlichkeiten wurde mit einer Workshopgruppe am gemeinsamen Bildungsverständnis und der Organisation der Teamarbeit gearbeitet.

Durch die verschiedenen Workshops und die Lernreise der Workshop- und Steuergruppe aus Lüdenscheid ist schon einiges erreicht worden ist: Ein gemeinsames Teamzimmer wurde etabliert und pädagogisch-didaktische, organisatorische und räumliche Ziele beschlossen. Schon jetzt zeigt der Prozess, wie das Teamgefühl durch Workshops und Lernreise gestärkt werden konnte. Dieses Teamgefühl und das Zusammenwachsen zu einer (Ganztags-)Gemeinschaft stellen eine wichtige Grundlage dar, um ein tragfähiges integriertes Nutzungskonzept für einen gemeinsamen Alltag zu entwickeln.

Ganztägige Lernkultur im Flow – ein integriertes Nutzungskonzept spielerisch gemeinsam entwickeln

Wie das integrierte Nutzungskonzept im Projekt „Ganztag und Raum“ an der Grundschule im Dichterviertel in Mülheim a. d. R. entwickelt wird, zeigten Fee Kyriakopoulos, baupiloten und Prozessbegleiterin Architekur, Karin Babbe, Prozessbegleiterin Pädagogik, Jennifer Galle, Leitung der OGS am Dichterviertel und Laura Sowa, Lehrerin an der Grundschule am Dichterviertel. Ausgehend von den Ergebnissen der Partizipation der Kinder und im Rahmen von Visionswerkstätten sind verschiedene Raumprinzipien entstanden, die zum integrierten Nutzungskonzept führen. Ziel ist es, das offene Lernen im Ganztag und die gemeinsame Teamarbeit weiter voranzubringen.

Ihr Fazit: Die gemeinsame Vision und die gemeinsame Haltung der Workshopgruppe stellen die Grundlage dar, um das integrierte Nutzungskonzept innerhalb des kurzen Prozesses von einem Jahr zu erarbeiten.  

Nicht nur Tisch und Stuhl – Partizipative Gestaltungsprojekte in Bestandsgebäuden

Das Thema Möblierung ist nicht nur im Hinblick auf Ganztagsentwicklung im Zusammenspiel mit dem Raum sondern auch durch ein verändertes Lernen und Lehren eine zentrale Fragestellung. Susanne Wagner, Bauereignis, stellte vor, wie sie partizipative Möbelprojekte in Bestandsgebäuden umsetzen.

Der Fokus liegt dabei – unabhängig von der Anforderung Ganztag – darauf, eine individuelle, ausdifferenzierte Schulumgebung zu schaffen, die eine inklusive, demokratische Kultur und körperliche Bewegung fördert. Dies erreichen sie über einen Prozess mit den Nutzer*innen zur jeweiligen Lern- und Schulumgebung. Teil der Partizipation ist besonders auch die Einbindung der Kinder und das Erproben in Modellen.

Am Ende der Veranstaltung nahmen die Teilnehmer*innen zahlreiche Ideen und Impressionen mit zu ihren Standorten. Über die Ergebnisse dieser Prozesse werden die Teams hier im Blog weiter berichten. Das Fazit des Tages: Räumliche und pädagogische Ganztagsentwicklung gelingt dann, wenn alle Perspektiven von Beginn an in den Prozess mit einfließen. Auf diese Weise werden an jedem Standort spannende Potenziale sicht- und nutzbar gemacht, die dann in konkrete neue Lösungen und Nutzungskonzepte überführt werden können.

Fotos: Simon Veith © Montag Stiftung Jugend und Gesellschaft

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Ganztag und Raum. Pilotprojekt Ulm: Martin-Schaffner-Schule

Dokumentation