18. August 2022; Von: Urs Walter , Barbara Pampe

Kostensteigerung und Kostenvermeidung im Modellprojekt

Die Baustelle schreitet voran – und die Baupreise steigen immer weiter. Mit welchen Strategien im Entwurf können Kosten eingespart werden? Welche Ansätze verfolgt das Weimarer Schulbau Open Source-Pilotprojekt?

Mit einem symbolischen ersten Spatenstich haben im Mai die Hochbauarbeiten für den Schulneubau der Staatlichen Gemeinschafsschule Weimar begonnen. Damit setzten Stadt, Land und Schule ein deutliches Zeichen auch in Krisenzeiten dieses zukunftsorientierte Modellprojekt umzusetzen. Ein wichtiger Grund: Mit diesem Pilotprojekt haben wir viele Themen in den Blick genommen, welche konventionell den Schulbau sehr teuer machen – ohne jeden Nutzen für die Pädagogik. Unter dem Leitbild Schule als Werkstatt werden bei diesem Projekt Baustandards im Schulbau hinterfragt und Kosten reduziert, um im Gegenzug ein Mehr an pädagogischer Raumqualität erzielen zu können.

Spatenstich für den SOS Modellstandort Weimar. Von links: Weimars Oberbürgermeister Peter Kleine, die Vorständin der Montag Stiftung Jugend und Gesellschaft Barbara Pampe, Schulleiter an der Staatlichen Gemeinschaftsschule Harald Zeil, Thüringer Ministerin für Infrastruktur und Landwirtschaft Susanna Karawanskji, Geschäftsführerin der Internationalen Bauausstellung (IBA) Thüringen Marta Doehler-Behzadi.

Für folgende sieben Planungsthemen wurden besonders kostensparende Strategien entwickelt:

Erschließungsflächen

Die meisten Kosten lassen sich über Flächenvermeidung einsparen. Cluster und offene Lernlandschaften sind in dieser Hinsicht effizientere Organisationsmodelle, weil horizontale Erschließungsflächen durch Mehrfachnutzung in die pädagogischen Programmflächen integriert sind. Exemplarische Referenzbeispiele zeigen, dass gegenüber Klassenraum-Flur-Schulen der Anteil der Verkehrs-, Technik- und Nebenflächen von 66  auf 53  Prozent reduziert werden kann (vgl. Leitlinien für leistungsfähige Schulbauten in Deutschland, S. 73-75). Wegen der kompakten Grundrisse des Weimarer Pilotprojektes beträgt dieser Wert lediglich 39 Prozent. Dabei befinden sich etwa 93  Prozent der Verkehrsflächen im Außenraum. Im Innern der Cluster dagegen sind die Erschließungsflächen bis auf den Windfang vollständig in die pädagogische Programmfläche integriert. Flure sind in der Schule also nicht mehr vorhanden.

Heizflächen

Treppenräume, Lager- und Technikräume haben andere Ansprüche an die Behaglichkeit als pädagogische Programmflächen und können geringer bis gar nicht temperiert werden. Im Grundriss werden diese Flächen zu einer kompakten und sehr reduzierten Funktionsschicht zusammengefasst, die teilweise unbeheizt bleibt und eine temperierte Pufferzone zu den Lernlofts ausbildet. So können langfristig die Betriebskosten für bestimmte Flächen niedriger gehalten werden.

Lüftungstechnik

Lufttechnische Anlagen sowie die folgenden Betriebs- und Instandhaltungskosten sind über den Lebenszyklus gesehen große Kostentreiber im Schulbau. Die drei Lernhäuser in Weimar sind von Beginn an so konzipiert, dass die Clusterflächen über die Fenster der Gebäudelängsseiten natürlich belüftet werden können. Insgesamt wird somit ein robustes und kostengünstiges Lüftungskonzept umgesetzt, das den Einsatz raumlufttechnischen Anlagen weitgehend minimiert.

Mess-, Steuer- und Regeltechnik (MSR)

Die Temperierung der Clusterflächen wird mit einer Flächenheizung in niedrigen Vorlauftemperaturen realisiert – die sehr einfach geregelt werden kann. Während in der Vergangenheit bei hohen Raumtemperaturunterschieden im Gebäude die Einzelraumregelung einen Beitrag für Einsparungen boten, kann inzwischen auf kleinteilige Regelkreise mit großem Einsatz von MSR-Technik verzichtet werden. Dies vereinfacht den Gebäudebetreib und erhöht das Potenzial für die flexible Flächennutzung von Lernfeldern. Die Heizkreise der Lerncluster orientieren sich daher am Großraum – räumliche Abtrennungen innerhalb des Clusters sind ohne Berücksichtigung der Heiz- und Regelkreise möglich. Die Flächenheizungen sind an eine Wärmepumpe angeschlossen, die im Sommer auch zur Temperierung eingesetzt werden kann.

Technische Kompensationsmaßnahmen im Brandschutz

Dem Wunsch nach einem differenzierten Raumangebot in Schulen steht in den meisten Bundesländern und Kommunen noch immer eine Vorschriftenlage im Brandschutz gegenüber, die auf einem klassischen Raumverständnis basiert. Flexibel nutzbare Raumkonzepte ohne Flure wie beispielsweise Cluster oder offene Lernlandschaften werden daher häufig nur mit einem erheblichen Mehraufwand an Kompensationsmaßnahmen wie eine Brandmeldeanlage oder auch ein Sprinklersystem genehmigt. Die Planung der Lerncluster in diesem Modellprojekt erfolgte auf Grundlage der Studie Brandschutz im Schulbau, welche aufzeigt, wie Clusterflächen bis 600 m² ohne technische Kompensationsmaßnahmen umgesetzt werden können. Die einfache Raumstruktur mit kleinen Gebäudekörpern und voneinander getrennten Geschossen trägt zusätzlich dazu bei, dass der Brandschutz rein baulich umgesetzt werden kann. Eine Brandmeldeanlage oder andere technische Maßnahmen sind für die Lerncluster nicht notwendig.

Wandelbarkeit

Damit sich die drei Gebäude ohne große Umbauten auch an zukünftige Nutzungsanforderungen anpassen können, werden Tragwerkstrukturen und Ausbaustrukturen strikt und sichtbar voneinander getrennt. So muss nicht alles gleich vorab festgelegt werden und es wird bewusst ein Angebot zur Weiterkonfiguration geschaffen: Umbau und Änderungen von Ausbauelementen und der technischen Infrastruktur wie Verkabelungen sind auch mittelfristig relativ einfach möglich.

Ausbaustandards

Die Lerncluster zeigen sich als Möglichkeitsräume mit Werkstattcharakter, die zu verschiedenen Lehr- und Lernformaten einladen und an wechselnde Nutzungen angepasst werden können. Die Gestaltung findet daher Ausdruck in einer einfachen Grundstruktur, robusten Materialien und hohen Räumen mit viel Tageslicht.

Der Ausbaustandard wird reduziert, indem die Ausstattung dem Prinzip des Weglassens folgt: Unverputzte Wände, roher Estrich und Aufputz-Installationen schaffen den Charakter einer Loftwohnung. Die Gestaltung der Lernräume schafft bewusst einen Kontrast zu einem High-End-Ausbau, damit mehr Spielräume für Aneignungen geschaffen werden.

Unveredelte und robuste Oberflächen prägen die Ästhetik des Baus.

Auch wenn die Baupreissteigerungen bei dem Weimarer Schulbauprojekt zu einer gewaltigen Kostensteigerung geführt haben, zeichnet sich ab, dass die Baukosten (KG300 +400) trotz Preissteigerungen und auch Leistungsmehrungen in der LP5 im BKI-Durchschnittwert liegen werden. Durch die oben beschriebenen Strategien und einer auf die Entwicklung von innovativen Lösungen bezogene Planung können vor allem langfristig im Betrieb und in der Instandhaltung Kosten gespart werden und die Lebenszykluskosten reduziert werden. Um auch die Kostenentwicklung des Weimarer Pilotprojektes transparent und zugänglich zu machen, werden wir das Thema Kosten nach Abschluss der LP5 auf unserer Plattform Schulbau Open Source aufnehmen.