24. April 2024; Von: Caroline Eckmann , Lisa Lemke , Dr. Annalena Danner

Innovationen im Schulbau: Ergebnisse der kommunalen Netzwerkveranstaltung 2024

Von Akustik bis Low Tech: Darüber haben die Referent*innen bei der kommunalen Netzwerkveranstaltung 2024 in Köln berichtet. Teilnehmende aus ganz Deutschland tauschten sich zu verschiedenen Themen aus und vernetzten sich.

Am 23. April 2024 fand in der Bildungslandschaft Altstadt Nord (BAN) in Köln der Kommunale Austausch zu Innovationen im Schulbau 2024 statt. Rund 100 Teilnehmende aus 40 Kommunen und 9 Bundesländern haben sich über aktuelle Lösungen aus unseren Pilotprojekten Schulbau Open Source (SOS) informiert. Im Mittelpunkt stand dabei auch der Austausch und die Vernetzung, denn überall stehen die Verantwortlichen im Schulbau vor der Herausforderung, zukunftsfähige Räume und Orte für Bildung zu gestalten.

Michael Zinner von der Kunstuniversität Linz startete mit seinem Impuslvortrag „Bestand und Leerstand als Chancen für Schule“: Mit dem Einzug der ROSE, einem Evangelischen Oberstufengymnasium in ein Lagergebäude der ehemaligen Tabakfabrik Linz aus der Bauhaus-Moderne hat die Schule Raum, Zeit und Lernen radikal verändert: Alle Sonderunterrichtsräume verteilen sich auf „Gelegenheiten“ im Stadtteil; die Atmosphäre lebt von der „Collage“ aus Bestand, Objektplanung und Selbstmöblierung; der Wochenplan denkt städtische Gehwege mit; die Stundentafel formt für die Abschlussklasse ein klausurales Jahr; täglich starten alle mit Vokabellernen; mittags wechselt sich klassenbezogenes Arbeiten mit fachbezogenem ab; freitags fließen im Projekttag viele Fächer ineinander. Die ROSE versteht sich als Schule, die Gelegenheiten sucht und nutzt.

Auf den Impulsvortrag von Michael Zinner folgten fünf parallele Themenworkshops, in denen die Teilnehmer*innen mit den Expert*innen ins Gespräch kamen und Erfahrungen ihrer Kommunen austauschten.

Bereits im Vorfeld der Veranstaltung haben uns die Referent*innen des Tages Fragen zu ihren jeweiligen Themenfeldern beantwortet:

Impulsvortrag: „Bestand und Leerstand als Chancen für Schule“

Univ. Prof. Michael Zinner, Architekt, Kunstuniversität Linz

Um welche Innovation geht es?
Transformation: Wir sollten Schulbau als Bestandsbau betreiben.

Was ist daran innovativ/anders als im herkömmlichen Schulbau?
Im „post-typologischen Schulbau“ werden sich Schulen „räumlich einnisten“ und bzw. gar „räumliche Netze“ bilden.

Was ist der Mehrwert für die Nutzer*innen?
Diese radikale Bauwende kann den Schulbau inspirieren, denn „Fremd-Bestand“ liefert „frische Atmosphären“.

Welche Empfehlung geben Sie anderen Planenden, die in Ihrem Bereich zukunftsfähige Lösungen entwickeln wollen?
Architekt*innen sollten Neubau verweigern, Behörden sollten die „Task Force Schulbestandsbau“ gründen.

Akustik: Vorstellungen des neuen Leitfadens Akustik im Schulbau – Neue Konzepte und Empfehlungen

Christoph Böhm, Ingenieurbüro Moll, Berlin und Charley Franz Walczak, Krebs und Kiefer Ingenieure, Dresden

Um welche Innovation geht es?
Mit dem Leitfaden für Akustik in offenen Lernlandschaften und Clustern gibt es erstmals eine Planungsgrundlage für Planer*innen und Architekt*innen mit akustischen Anforderungen für diese Nutzungskonzepte in Schulen, auf welche sie sich in der Planung stützen und beziehen können. Gleichzeitig kann der Leitfaden das Bewusstsein und das Verständnis für akustische Probleme und Lösungsansätze in diesen Konzepten fördern.

Was ist daran innovativ/anders als im herkömmlichen Schulbau?
Aktuelle Planungen für Cluster und offene Lernlandschaften beziehen sich meist noch auf die geltenden Normen und Regelwerke in Deutschland, welche für die neuen offenen Konzepte jedoch keine geeigneten Anforderungen und Planungsansätze bereitstellen. Mit den Anforderungen und Planungshinweisen aus unserem Leitfaden ist es möglich, die Akustik in den offenen Konzepten soweit möglich für die angestrebten Nutzungen zu optimieren.

Im herkömmlichen Schulbau findet sich zum Beispiel als zentrale Anforderung für das bewertete Bau-Schalldämm-Maß R’W zwischen Unterrichtsräumen 47dB. Dabei wird nicht differenziert zwischen unterschiedlichen Lernorten, sondern es wird lediglich vom klassischen Klassenzimmer-Flurprinzip ausgegangen. Dies ist jedoch nicht in allen Bereichen zutreffend für ein offenes pädagogisches Raumkonzept. Das Ergebnis ist ein angepasstes akustisches Konzept von der Abschirmung der Klassen voneinander, hin zur Transparenz und gemeinschaftlichem Lernen.

Was ist der Mehrwert für die Nutzer*innen?
Die Gebäudenutzer*innen profitieren von einer Lern- und Arbeitsumgebung, welche für die spezifische Form der Lehre gebaut wurde. Dabei unterstützt der Raum die Lehr- und Lernformen und erschwert sie nicht, wie es meist bei zweckentfremdeten Räumen mit herkömmlicher Struktur der Fall ist.

Planer*innen erhalten eine Grundlage zur Festlegung des eigenen Bereichs, z.B. innerhalb eines Clusters von den Normwerten abzuweichen, um mit visueller Transparenz einen nutzungs- und lernkonzeptgerechten Schallschutz zu erzielen.

Welche Empfehlung geben Sie anderen Planenden, die in Ihrem Bereich zukunftsfähige Lösungen entwickeln wollen?
Die Planung von Räumen sollte immer vom Menschen aus gedacht werden. Für die Akustik ist wichtig, wie der Raum genutzt wird und welche spezifischen Anforderungen die Personen, die ihn nutzen, an ihn haben. Dabei müssen natürlich alle Fachgebiete wie z. B. Gestaltung, Akustik, TGA etc. gemeinsam Kompromisse finden.

Die Akustik-Planung, bestehend aus Raum- und Bauakustik ist dabei immer als Gesamtkonzept zu betrachten und frühestmöglich in die Planung mit einzubeziehen. Es lohnt sich, sich an ähnlichen Pilotprojekten zu orientieren und ggf. Kontakt zu den Schulen suchen, wo ein solches Konzept bereits angewandt wird.

Brandschutz: Brandschutzkonzepte für Cluster und offene Lernlandschaften mit Fokus Holzbau, SOS Pilotprojekt Offene Schule Waldau

Prof. Dr.-Ing. Dirk Lorenz, IBC Ingenieurbau-Consult, Mainz

Um welche Innovation geht es?
Offene Lernlandschaften in Einheiten mit einer Fläche von bis zu 600 m² ohne innere brandschutztechnische Separierungen.

Was ist daran innovativ/anders als im herkömmlichen Schulbau?
Offene Lernlandschaften weitgehend ohne brandschutztechnische Unterteilungen und ohne Brandfrüherkennung.

Was ist der Mehrwert für die Nutzer*innen?
Neue pädagogische Konzepte in einer modernen Raumwelt mit möglichst geringfügigen brandschutztechnischen Einschränkungen.

Welche Empfehlung geben Sie anderen Planenden, die in Ihrem Bereich zukunftsfähige Lösungen entwickeln wollen?
Brandschutzplanung möglichst früh einbinden, Rettungswegekonzept sehr detailliert planen und Genehmigungsbehörden in den Prozess einbinden. Letzteres so früh wie möglich, aber nur mit einer ausgereiften Brandschutzplanung, die alle Nutzer*innenanforderungen beinhaltet und gleichzeitig die Brandschutzanforderungen berücksichtigt.

Kochen und Essen: Vorausschauende Küchenplanung und Betriebskonzepte für gesundes Essen und gute Essenskultur an Schulen

Christina Zurek, Ökomarkt e.V., Hamburg

Um welche Innovation geht es?
Das Essen in der Schule ist für viele Schulleitende oder Schulträger eine „lästige Pflicht“, die mit Caterern und Mitarbeitenden des Ganztags/Horts organisiert werden muss, dabei kann das Mittagessen in der Schule zum Herz der Schulgemeinschaft entwickelt werden. Die Schulkantine kann Treffpunkt, Aufenthaltsort, Ort für Gemeinschaft, Verbindung in den Stadtteil und Platz für Elternarbeit sein. Dieses Potential gilt es zu erschließen, indem der Raum auch für andere Funktionen geöffnet und ausgestattet wird. Wir haben verschiedene neue Wege ausprobiert und diese können andere Schulträger als erprobte Modelle nutzen bzw. idealerweise weiterentwickeln.

Was ist daran innovativ/anders als im herkömmlichen Schulen? Was ist der Mehrwert für die Nutzer*innen?
Seit 2013 ist beispielsweise die Linien-Ausgabe, die zu langen Schlangen führt, schrittweise in allen Schulformen durch eine free-flow Ausgabe ersetzt worden. Freeflow ist nun der Standard in den Schulen, der dazu führt, Lebensmittelverschwendung zu verringern, die Zufriedenheit und die Akzeptanz für die Schulverpflegung enorm zu erhöhen und Aufsichten und Pausenorganisation zu entspannen.

Es gibt mehrere Möglichkeiten, den Anteil frisch gekochter Lebensmittel in der Schule zu erhöhen. Das führt in der Regel zu einer höheren sensorischen Qualität. Dafür braucht es nicht voll ausgestattete Produktionsküchen, Ausgabe- und Verteilerküchen können auf verschiedene Niveaus optimiert werden. Hier braucht es innovative gute Caterer, die ihre Routinen überdenken und die Abläufe ändern. Gutes Ausschreibungsmanagement kann das mit bewirken.

Bei Schulneubauten achten wir darauf, die Kapazitäten durch einen Dialog mit den Schulen zu planen, da Überkapazitäten beim Hausanschluss, den thermischen Geräten und der Lüftung zu enormen Folgekosten im Betrieb führen. Wir versuchen sie auch aus ökologischen – und nicht nur ökonomischen – Gründen unbedingt zu vermeiden.

Welche Empfehlung geben Sie anderen Planenden, die in Ihrem Bereich zukunftsfähige Lösungen entwickeln wollen?
In der Schulverpflegung muss eine Dialog zwischen Schule, Planer*innen, behördlichen Vorgaben, Caterern und Mitarbeitenden des Ganztags/Horts frühzeitig begonnen werden. Caterer und Ganztag/Hort sollten integraler Teil der Schulgemeinschaft sein oder werden, damit ein Verpflegungssystem rund läuft. Daher ist Kommunikation so wichtig.

Wichtig ist es auch, über den Tellerrand zu sehen und sich neue Modelle in anderen Schulen, Bundesländern oder Ländern anzusehen. Man muss das Verpflegungskonzept als Ganzes mit Lebensmittelbeschaffung, Anlieferung, Küche, Qualitätsstandard, Schüler*innenzufriedenheit/-beteiligung, Pausentaktung und Lebensmittelentsorgung verstehen, damit man es übertragen kann. Es geht nicht nur darum, einen Teil zu verändern. Auch Schulkiosk, Frühcafé, Nachmittagssnack, Stadtteilcafé und Lehrküche gehören in dieses Planungsfeld.

Lichtplanung: Von New Work zu New Learning – Lichtplanungskonzept SOS Pilotprojekt Offene Schule Waldau

Daniel Walden und Michaela Kruse, ag Licht, Köln

Um welche Innovation geht es?
Transformation der Beleuchtungskonzepte aus modernen Bürowelten in die neuen Lernwelten zukunftsorientierter Schulbauten.

Was ist daran innovativ/anders als im herkömmlichen Schulbau?
Die Innovation liegt in der bedarfsorientierten Lichtlösung, die modular aufgebaut auf alle Anwendungen und Bedürfnisse flexibel reagieren kann (Flexibilität, Zonierung, Steuerung, Individualität, Lichtkomfort, z. B. Tunable White).

Was ist der Mehrwert für die Nutzer*innen?
Die Lichtlösungen gehen in Einklang mit den neuen Lernkonzepten und baulichen Transformationen, z. B. vom Frontalunterricht zu selbständigem Lernen. Dabei kann eine differenzierte Beleuchtung (Konzentration, Aufmerksamkeit, Regeneration, Kommunikation, circadianer Rhythmus, …) unterstützen.

Welche Empfehlung geben Sie anderen Planenden, die in Ihrem Bereich zukunftsfähige Lösungen entwickeln wollen?
Ein erster Ansatz wäre es, die Erkenntnisse aus den Beleuchtungskonzepten für ‚New Work‘ in den Schulbauverordnungen einfließen zu lassen. Das bedeutet, einen rechtlichen Rahmen zu schaffen, in dem ein flexibler Umgang mit Beleuchtungssystemen, die auf die Bedürfnisse des ‚New Learning‘ reagieren, überhaupt erst möglich ist.

Low Tech im Schulbau: Lüften, Heizen, Temperieren mit einfachen Mitteln

Prof. Dr.-Ing. Gerhard Hausladen, Ingenieurbüro Hausladen, München

Um welche Innovation geht es?
Die Innovation besteht darin, Wege aufzuzeigen, die zum einfachen und robusten Bauen führen können.

Was ist daran innovativ/anders als im herkömmlichen Schulbau?
Es werden die Fragen behandelt, wie wir zukünftig unsere Schulen belüften und beheizen können. Darüber hinaus wird das sommerliche Verhalten unserer Schulgebäude betrachtet mit dem Ziel, aufwendige Sonnenschutzeinrichtungen und Elemente zur Nachtlüftung zu vermeiden.

Was ist der Mehrwert für die Nutzer*innen?
Der Mehrwert besteht in einfacheren Konstruktionen und der Möglichkeit, Schulgebäude zukünftig an neue pädagogische Erkenntnisse anpassen zu können, ohne gleich das ganze Gebäude abreißen zu müssen. Außerdem können sich Kosteneinsparungen in der Errichtung und dem Betrieb der Gebäude ergeben.

Welche Empfehlung geben Sie anderen Planenden, die in Ihrem Bereich zukunftsfähige Lösungen entwickeln wollen?
Meine Empfehlungen lauten, die physikalischen Vorgänge in Gebäuden schon in der ersten Entwurfsphase anzuschauen, um gute und abgestimmte Konzepte zwischen Architektur und Technik zu finden und sich nicht ausschließlich an Normen und Richtlinien zu orientieren.

Im Anschluss an die Themenworkshops führten André Zweering von gernot : schulz architektur und Michael Gräbener, ehemaliger Projektleiter BAN der Stadt Köln, die Teilnehmenden durch die Bildungslandschaft Altstadt Nord und zeigten so auch noch einmal ganz praktisch, wie Innovation im Schulbau umgesetzt und gelebt werden kann.

Weitere Informationen zu Schulbau Open Source unter https://schulbauopensource.de/

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Schulbau Open Source – Planungswissen für Innovationen im Schulbau

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