15. July 2024; Von: Sonja Fahr , Lisa Lemke

Ganztag finanzieren: (GaFöG-)Mittel jetzt richtig nutzen

Die Finanzmittel zur Umsetzung des Ganztagsförderungsgesetzes (GaFöG) müssen zeitnah von den Kommunen abgerufen werden. Was ist dabei zu beachten? Und wie können diese Mittel wirkungsvoll für einen qualitätvollen Ganztag eingesetzt werden? Hier gibt es einen ersten Überblick – im September informieren wir darüber auch auf einer Netzwerkveranstaltung.

Ein knapper Beantragungszeitraum sowie die zeitnahe Umsetzung des Rechtsanspruchs auf ganztägige Förderung ab 2026 stellt die Kommunen vor große Herausforderungen. Die landesspezifischen Förderrichtlinien sind – soweit bereits verkündet – in den Bundesländern mit unterschiedlichen Fristen versehen. In Nordrhein-Westfalen beispielsweise muss der Antrag für die Fördermittel bis 31.12.2024 gestellt werden (siehe: Ganztagsschulen: Förderrichtlinien der Länder), in Rheinland-Pfalz sogar bis zum 31.07.2024. Und: In welche Bereiche sollen diese Mittel investiert werden, um möglichst viel Wirkung für qualitätsvolle ganztägige Bildung zu erzielen? Wo ist eine Investition besonders geeignet und nachhaltig, um (Folge-)Kosten zu sparen? Wie ökonomisch und ökologisch sinnvoll ist es – auch im Sinne der Bauwende – zusätzliche Räume anzubauen oder neuzubauen, wenn diese nur zu bestimmten Tageszeiten ausgelastet sind? Welche Lösungen gibt es, um Flächen effektiv im Sinne ganztägiger inklusiver Schule zu nutzen?  

Neue Ideen für die Nutzung des Bestands

Für diese Herausforderungen gibt es Lösungen, die im vorhandenen Gebäudebestand kurz- und mittelfristig realisierbar und für die Kommunen finanzierbar sind. Bei ausreichendem Flächenangebot können geringe Umbaumaßnahmen, ein verändertes Brandschutzkonzept sowie eine entsprechende Möblierung in Kombination mit pädagogischen und organisatorischen Veränderungen eine qualitätvolle Umsetzung des Ganztagsanspruchs im Bestand möglich machen. Um dies zu erreichen, ist die Entwicklung integrierten Nutzungskonzepten sinnvoll, die die zumeist in Grundschulen vorherrschende Trennung von „Schule (Bildung)“ und „Jugendhilfeangebot (Betreuung)“ sowohl pädagogisch-didaktisch als auch räumlich und organisatorisch auflösen. Dabei orientiert sich die Nutzung der Flächen im Bestand nicht mehr nach Tageszeiten und Zuordnungen (vormittags Unterricht, nachmittags „Betreuung“), sondern nach pädagogischen Anforderungen und Aktivitäten. Das bedeutet eine gemeinsame Nutzung aller Räume über den ganzen Tag. Voraussetzungen sind eine multiprofessionelle Zusammenarbeit über den gesamten Tag, ein geteiltes Bildungsverständnis von Lehrkräften und sozialpädagogischen Mitarbeiter*innen sowie eine veränderte Rhythmisierung mit einer kindgerechten Abwechslung von formaler, non-formaler und informeller Bildung. Räumlich richtet sich der Blick auf die gesamte Schule und das Quartier – räumliche Struktur, Ausstattung, Brandschutz und Möblierung werden an die neuen Bedarfe angepasst.

Investition in Prozessbegleitung hilft, gute Lösungen zu finden

Um ein solches integriertes Nutzungskonzept zu entwickeln, braucht es einen gemeinsamen Prozess von Schule, Kinder- und Jugendhilfe, Schulträger, Schulaufsicht und Gebäudemanagement. Ein externes Prozessbegleitungsteam aus Architektur und Pädagogik kann helfen, die verschiedenen Perspektiven zusammenzubringen und den Prozess zu steuern. Die Investition lohnt sich: Durch einen kompakten Prozess kann so innerhalb eines Jahres ein – im Vergleich zu einem Neubau – kostengünstigeres und pädagogisch qualitatives Konzept für die Nutzung des Bestands entwickelt werden. Gemeinsam werden dabei sowohl pädagogisch-organisatorische als auch räumliche Fragestellungen beantwortet, zum Beispiel: Wie soll das ganztägige Lernen zukünftig rhythmisiert und gestaltet werden? Wie können wir im multiprofessionellen Team zusammenarbeiten? Welche organisatorischen Veränderungen braucht es? Welche (gemeinsamen) pädagogischen Anforderungen an den Lernraum gibt es im formalen, non-formalen und informellen Lernen? Wo finden Rückzug, konzentriertes Lernen oder Aktivität statt? Wie können aktuelle Verkehrsflächen durch einen angepassten Brandschutz pädagogisch genutzt werden?

Mehr Transparenz, eine andere Ausstattung und ein neues Brandschutzkonzept

Welche räumlichen Maßnahmen ein solches integriertes Nutzungskonzept beinhaltet, hängt von den örtlichen Gegebenheiten ab. In den fünf Pilotprojekten „Ganztag und Raum“ gibt es jedoch auch Gemeinsamkeiten:

  • Zur Nutzung des Bestands ist meist ein neues Brandschutzkonzept notwendig. So können Flure als pädagogische Fläche erschlossen und kleinere räumlich-pädagogische Einheiten, die den Kindern einen festen räumlichen Bezug (Heimat) über den gesamten Tag ermöglichen, geschaffen werden.

  • Durch die Schaffung von Sichtbeziehungen und großzügigen Transparenzen wird diese pädagogische Fläche von Lehrkräften und sozialpädagogischen Mitarbeiter*innen leichter einsehbar und nutzbar. Durch die zunehmende Bedeutung des selbstständigen Lernens und den Rückgang des Frontalunterrichts kann den Kindern so ermöglicht werden, an einem selbstgewählten Ort in ihrem eigenen Tempo zu lernen, sich zurückzuziehen, oder sich mit anderen auszutauschen.

  • Um von der gewohnten Klassenraumstruktur wegzukommen und damit einen Ort zu schaffen, der eine hohe Aufenthaltsqualität über den ganzen Tag bietet, wird mit einer veränderten Ausstattung und Möblierung gearbeitet. Dabei zeigt sich: Nicht die Multifunktionalität von Möbeln scheint immer besonders geeignet, sondern Möbel und Ausstattungen, die eine klare Nutzung ermöglichen, entlasten den Raum. So werden Räumen Nutzungen und damit Atmosphären zugewiesen, die nicht einer Personengruppe zugeschrieben sind, sondern für alle für spezifische Aktivitäten geeignet sind. Ein Leiseraum beispielsweise wird mit gemütlichen Sitzsäcken, Sitznischen, Teppichen und Einzelarbeitsplätzen ausgestattet. Die Ausstattung signalisiert den Kindern auf den ersten Blick: Hier geht es um eine ruhige, entspannte (Lern-)Atmosphäre. Umgekehrt regen ein großer Gruppentisch, ein Sitzkreis sowie Podeste mit verschiedenen Höhen zum Austausch und zum gemeinsamen Lernen an.

GaFöG-Mittel sinnvoll nutzen

Die Förderrichtlinien der Länder weisen die förderfähigen Maßnahmen jeweils aus. Dabei sind die Beauftragungen von Prozessbegleitungen (zumeist) in der Förderung inbegriffen. So heißt es beim Schulministerium NRW: „Sofern eine externe (Prozess-)Beratung und Begleitung in direktem Zusammenhang mit einer Investitionsmaßnahme steht, könnte die Maßnahmen als förderfähig betrachtet werden.“ Auch eine neue Ausstattung, neue Brandschutzkonzepte oder ein Umbau ist förderfähig  (u. a. Infrastrukturausbau im Ganztag). Die Prozesse und die entwickelten integrierten Nutzungskonzepte des Projektes „Ganztag und Raum“ zeigen dabei: Es lohnt sich, den Bestand näher zu betrachten und in einen pädagogisch, organisatorisch wie räumlichen Ganztagsprozess zu investieren!

Weitere Infos: Netzwerkveranstaltung „GaFöG-Mittel für zukunftsweisende Investitionen nutzen. Finanzierung eines qualitativen Ganztags“ am 04.09.2024 in der Bildungslandschaft Altstadt Nord (BAN) in Köln

Weitere Infos zu konkreten Nutzungskonzepten, Prozessen und Umsetzungen stellen die Beteiligten der Pilotprojekte „Ganztag und Raum“ gemeinsam mit den Prozessbegleitungsteams auf einer Netzwerkveranstaltung am 4. September in Köln vor. Ziel der Veranstaltung ist es, Möglichkeiten für einen zielgerichteten Einsatz von Fördermitteln aufzuzeigen. Anhand der konkreten Prozesse der fünf Standorte und der daraus entstandenen integrierten Nutzungskonzepte gibt es zahlreiche Anregungen und Ideen, wie diese Mittel den Ganztagsausbau sinnvoll unterstützen können.

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Ganztag und Raum. Pilotprojekt Ulm: Martin-Schaffner-Schule

Dokumentation