Zum Auftakt der weiteren Planung für die Offene Schule Waldau in Kassel ist das gesamte Planungsteam mit Bauherr und Nutzer/-innen nach Kopenhagen gereist, um sich innovative Schulgebäude anzuschauen. Da das Architekturbüro unter anderem seinen Sitz in Kopenhagen hat, haben wir uns vor allem Bildungshäuser von C.F. Møller angeschaut, aber auch weitere Schulbauten standen auf dem Programm.
Panum Institut
Begonnen haben wir mit der Besichtigung des Panum Instituts der Faculty of Health and Medical Sciences der Universität Kopenhagen. C.F. Møller haben den Wettbewerb für das Institut mit dem Vorschlag eines Turmes gewonnen. In der Kopenhagener Stadtlandschaft ist das eine Besonderheit, ermöglicht aber dadurch mehr Freifläche auf dem Grundstück und öffentliche Durchwegungen für die Nachbarschaft. Mit dem Turmbau (Maersk Tower) setzen C.F. Møller neue Maßstäbe für eine Laborumgebung, in der Kommunikation und Kooperation ebenso wichtig sind wie eine hochwertige Laborausstattung. Herzstück des Entwurfes sind die mehrgeschossigen Gemeinschaftsbereiche der Labore mit eigenen Küchenzeilen, die mit einer hölzernen Wendeltreppe über die gesamte Höhe des Turmes miteinander verbunden sind. So können die Forschungsteams besser miteinander kooperieren und sich über die Geschosse hinweg zu neuen Forschungsgemeinschaften zusammenschließen.
Die Copenhagen International School und die New Islands Brygge School haben wir bereits in unserem Blogbeitrag zur Wettbewerb der Offenen Schule Waldau kurz vorgestellt.
Naerheden Laerning Center
Das Naerheden Laerning Center des Kopenhagener Architekturbüros Christensen & Co gilt als erste öffentliche Schule in Dänemark, die ganz nach den Prinzipien der 21st Century Skills konzipiert ist. Das Raumkonzept wurde zusammen mit der Kommune und dem pädagogischen Team erarbeitet und soll besonders projektbasiertes und selbstorganisiertes Lernen unterstützen (Link zur Schulwebseite).
Die Schule zeigt sich als offene Lernwerkstatt mit sehr unterschiedlichen Raumzonen, Lagerbereichen, Schausammlungen und großzügigen Versammlungsorten. Über das gesamte Haus verteilt finden sich Rückzugsnischen, die von den Kindern in unterschiedlichen Konstellationen angenommen werden. Direkt beim Betreten der Schule hat man das Gefühl, quasi bei ihnen „zuhause“ zu sein. Mit weißen Markierungen auf dem Boden werden Raumzonen ausgewiesen, die unterschiedlich möbliert sind und von den pädagogischen Teams über das zentrale Raumsystem gebucht werden können. Für alle zugängliche Teeküchen, Garderoben vor den Terrassenausgängen, Werkstätten, Labore und Musikübungszellen ergänzen das räumlich offene Angebot. Ein interessantes Detail sind die vielen Schwerlast-Deckenhaken, in welche weitere Abtrennungen, Ausstellungsstücke oder auch technische Geräte eingehängt werden können und die somit den offenen Raum als weitere Displayfläche erschließen.
Skolen i Sydhavnen
Die Skolen i Syhavnen von JJW Arkitekter zeigt sich als große Freitreppe innerhalb eines neu entwickelten Stadtgebietes und wird somit selbst zu einem öffentlichen Stadtraum. Die Treppe selbst wird auch als Lernort eingebunden. Während am Fuß der Treppe auf einem schwimmenden Plateau einige Kinder kleine Tiere aus dem Wasser fischen, wird die Treppe im oberen Bereich als Sportparcours genutzt. Interessant ist der Umgang mit der freien Wasserkante. In Kopenhagen ist die Hafenkante ohne Absicherung ein selbstverständlicher Bestandteil des öffentlichen Raumes – der in diesem Fall von der Schule mitgenutzt wird. Lediglich ein 15 cm hoher Holzbalken ist an die Kante gelegt. In dem blauen Container sind Fahrgeräte für die ganz Kleinen gelagert, welche die Hafenkante in Pausenzeiten in eine beliebte Rennstrecke verwandeln.
Die Exkursion war ein guter Auftakt für die gemeinsame Planungsphase. Neben dem persönlichen Kennenlernen aller Beteiligten gaben die besuchten Bildungsbauten Anlass über einen interdisziplinären Austausch zu den verschiedensten Herausforderungen in der Schulbauplanung. Die unterschiedlichen Brandschutzlösungen wurden von Brandschutzgutachter und Haustechnikplanenden nachvollzogen und diskutiert. Dabei ist es erstaunlich, dass die Sprinklerung und mechanische Be- und Entlüftung aller Lernflächen eine Selbstverständlichkeit bei der Planung von Schulgebäuden ist. Ebenso waren alle verwundert, welche Qualität auch innenliegende Räume haben können, wenn sie Sichtbeziehungen zu anderen Flächen, vor allem zu offenen geschossübergreifenden Raumbereichen haben. Begeisterung löste vor allem das Naerheden Laerning Center mit seinem vielfältigen räumlichen Angebot aus. Architektur und Ausstattung sind aus einer Hand geplant: Deckenhacken, mobile in sich abgeschirmte Einzelarbeitsplätze, robuste Werkstatttische, Rückzugsecken mit Sofas unter den Treppen, stapelbare Holzkisten mit Lehrmittelfächer für spontane Gruppenkonstellationen etc. Bis ins Detail wurde hier mit einem hohen ästhetischen Anspruch den pädagogischen Anforderungen entsprochen. Auch die Öffnung der Schulhöfe zum Quartier und das Angebot im Außenraum sowie die Integration von Dachflächen für Bewegungs- und Aktivitätsangebote wurden als Inspiration bzw. Idee der Übersetzung auf die Neubauplanung der Offenen Schule Waldau mitgenommen.