24. Juni 2021; Von: Urs Walter

Schallschutz in neuen Lernumgebungen

Cluster und offene Lernlandschaften benötigen heute und zukünftig differenziertere Konzepte für den baulichen Schallschutz als in der Vergangenheit. Die Regelwerke für Akustik sind hierzulande jedoch noch auf konventionelle Klassenraum-Flur-Schulen ausgelegt.

Transparenz und Schallschutz

Eine besondere Herausforderung besteht darin, die Vorgaben des Schallschutzes für Schulen in Lernumgebungen mit hoher Transparenz umzusetzen. Die DIN 4109 für Schallschutz ist bauaufsichtlich in den meisten Bundesländern eingeführt und damit auch in der Planung umzusetzen. Aber transparente Abtrennungen wie Glaswände in Clustern oder offenen Lernlandschaften durchgehend mit dem gleichen hohen Schallschutz auszuführen wie konventionelle Klassenraumwände, würde nicht nur enorme Kosten verursachen, sondern führt auch an dem pädagogischen Bedarf vorbei.

Bei den Vorgaben der DIN geht es um Gesundheitsschutz, also um den Schutz vor unzumutbaren Beeinträchtigungen durch Schall aus angrenzenden Räumen. Diese Vorgaben mögen für separierte „Einzelkämpfer“-Klassenräume und lärmende Schulflure erforderlich sein. Die unterschiedlichen Raumbereiche eines Clusters jedoch stehen zueinander in einem anderen Zusammenhang und bilden somit eine andere Raumkategorie als die in der Schallschutz-DIN behandelten Klassenräume. Gute Raum- und Blickbezüge sind wesentlich für Teamarbeit und den dynamischen Wechsel der Lehr- und Lernformate. Fragen des Schallschutzes sind natürlich ebenso zu beachten, jedoch geht es hier weniger um Gesundheitsschutz, sondern um den Grad an Vertraulichkeit und auch Gemeinschaftsgefühl, welcher zwischen den Raumzonen erreicht werden soll. Diese Fragen lassen sich kaum pauschal beantworten, sondern hängen wesentlich von dem individuellen Raumentwurf bzw. der pädagogischen Arbeit der Schule ab.

Schallanforderungen für sozialen Zusammenhalt

Ein gutes Vorbild ist z.B. das akustische Konzept der Ringstabekk-Schule in Baerum bei Oslo. Die Akustik-Ingenieure haben die Schallschutzanforderungen der einzelnen Wände und Abtrennungen gemeinsam mit dem Kollegium definiert. Der Grund: Es ist wichtig, dass die Wände genau das leisten, was die Schule benötigt. Oder anders gesagt: Es ist wichtig, dass die Lehrenden genau wissen, was der Schallschutz an Vertraulichkeit zulässt. Der Grundgedanke des Schallschutzkonzeptes geht aber noch darüber hinaus: Welcher Grad des hörbaren Erlebens ist für den sozialen Zusammenhalt der Schule notwendig? So ist z.B. das zentrale Forum, das Herz der Schule mit Cafeteria und Raum für die unterschiedlichsten Veranstaltungen, nur gering von den umgebenden Lernlandschaften schallisoliert, weil der Schule wichtig ist, dass gemeinschaftsbilde Schulaktivitäten im Gebäude wahrgenommen werden.

Möglichkeiten in der Praxis

Neue Raumtypologien treffen in vielen Planungsbereichen auf veraltete Regelwerke. Mit dem Projekt „Schulbau Open Source“ wollen wir Anregungen dazu geben, wie sich Innovationen in der Praxis umsetzen lassen.

In Bezug auf den Schallschutz wäre zu prüfen, ob räumliche Abtrennungen innerhalb von Clustern und Lernlandschaften überhaupt in die in der DIN 4109-1-Tabelle 6 genannten Raumkategorien fallen (sprich: Klassenraumwände, Flurwände). Anderenfalls können Richtwerte für Raumnutzungen hilfreich sein, die sich typologisch den neuen Lernraumkonzepten ähneln. So werden in der DIN 4109 Beiblatt 2 Empfehlungen für bewertete Schalldämmmaße von Innenwänden von Büros gegeben, die sich am Grad des Vertraulichkeitsanspruchs orientieren. Diese Empfehlungen können auch für Schulen eine Grundlage bieten, Schallanforderungen nutzungsspezifisch zu planen.

Blickkontakt und Hörbezüge bilden die Basis gelingender Kommunikation in den neuen Lernumgebungen. Der Schallschutz wird somit komplexer. Für die neuen Lernumgebungen ist es wichtig, dass auch bei Schalldämmmaßen der Grad an Abschirmung individuell bestimmt, also zwischen gewünschtem Hörbezug und Anspruch an Vertraulichkeit in der Planung abgewogen werden kann.