27. April 2018; Von: Doris Gruber

Schulbau und „Bildungsarchitektur“ – unnötiger Luxus in Zeiten knapper Kassen?

Umfangreiche Investitionen sollen den maroden Schulbauten ein Ende bereiten. Doch leider wird bei Sanierungen oft nur das Notwenigste beauftragt, man verpasst die Chance auf einen Umbau, der zeitgemäßen pädagogischen Anforderungen entspricht.

„Endlich wird saniert, endlich passiert etwas“, so denken viele Lehrerinnen und Lehrer, Eltern und Schüler, die seit Jahren unter den Lernbedingungen in den maroden deutschen Schulgebäuden leiden. Doch der Bedarf für die Sanierungsmaßnahmen wird im Regelfall auf die Umsetzung der bautechnischen Ertüchtigung reduziert. Die meisten Ausschreibungen öffentlicher Auftraggeber, vor allem für Sanierungen im Schulbau, beschäftigen sich, neben den notwendigen Reparaturen, nur mit den technischen und funktionalen Bedingungen der Gebäude. Das sind vor allem die energetische Fassadensanierung, die Umsetzung der Barrierefreiheit und die Nachrüstung der Gebäude aus Anforderungen des Brandschutzes. Häufig entspricht das der bürokratischen Notwendigkeit, Aufgaben für den Umbau entsprechend den Anforderungsprofilen für die Beantragung von Fördergeldern zu formulieren.

Schulumbau als Luxus?

Das Konzept eines Schulumbaus als Reparatur- und Sanierungsvorgang ist dabei viel zu kurz gedacht. Die einmalige Chance, die veralteten Lehranstalten über weitergehende strukturelle Maßnahmen in moderne zeitgemäße Schulgebäude umzuwandeln, wird oft verpasst. Doch genau solche Maßnahmen, die über eine reine Sanierung hinausgehen, werden in der öffentlichen Diskussion gerne als „Luxus“ bezeichnet, den man sich nicht leisten könne. Das ist Unsinn. Bessere Schulgebäude, die nach aktuellen pädagogischen Kriterien umgebaut werden, erfüllen ihre veränderten Aufgaben im Wechselspiel mit einer zukunftsfähigen Pädagogik erheblich besser.

Plädoyer für eine moderne Bildungsarchitektur

Wir alle, Schulverantwortliche, Eltern und auch die Architekten, sollten beim Schulumbau den Mut haben, nicht nur Investitionen für notwendige technische und funktionale Anforderungen zu verlangen, sondern auch die Aufgabe formulieren, alte Lehranstalten zu zukunftsfähigen guten Schulen umzuwandeln. Neue Lehrmethoden und Lernmittel bringen viele Chancen, Unterricht unabhängig vom typischen Klassenzimmer zu gestalten und so zusätzliche Lehr- und Lernräume zu gewinnen. Dazu brauchen wir eine neue, an der Pädagogik orientierte „Bildungsarchitektur“, denn moderne Schulen verlangen nach anderen, variableren Raumstrukturen. Den Umbau der Schule einige Schritte weiter zu denken sollte auch eine Herausforderung für die Länder und Kommunen sein, die als Auftraggeber für die Planung und Finanzierung der Sanierung mitverantwortlich sind. Diese pädagogische Architektur sollte als nachhaltige Maßnahme somit auch förderfähig werden.

Abstimmung mit allen Beteiligten

Klingt immer noch luxuriös? Ist es aber nicht. Hier ein Beispiel aus der Praxis: Bei der Sanierung für die Theresen-Grundschule in Germering [1] wurde unser Architekturbüro beauftragt, nicht nur sanierungsbedingte, sondern auch pädagogische Anforderungen räumlich umzusetzen. Die Analyse des Bestandes und viele Gespräche mit den Schulverantwortlichen und den Eltern ergaben, dass ihnen allen wichtig war, das Schulgebäude neben allen notwendigen Modernisierungen auch an das aktuelle pädagogische Konzept des Lehrkörpers anzupassen. In einem moderierten Abstimmungsprozess wurden die notwendigen Anforderungen aller Nutzer herausgefiltert. Zugleich sollten Raumreserven innerhalb des knappen Bestandes gefunden werden. Im Rahmen der Umbaumaßnahmen kann nun das Foyer durch den Einbau einer Stufenanlage als große Aula genutzt werden. Durch die Aktivierung der Verkehrsflächen zu pädagogisch nutzbaren Flächen konnten hier zusätzliche Gruppenbereiche im Flur realisiert werden, das schafft neue und offene Begegnungs- und Arbeitszonen.

Die zusätzlichen Kosten für die Neustrukturierung der Flächen der Theresen Grundschule hielten sich übrigens in einem überschaubaren Rahmen, der pädagogische Nutzen heute liegt um ein Vielfaches höher. Wichtig ist auch: Diese Möglichkeiten konnten nur deshalb so umgesetzt werden, weil alle Beteiligten sich im Planungs- und Umbauprozess engagierten: Schulleitung, Lehrkräfte, Schulpersonal und natürlich auch die Eltern. Dies sollte jedoch nicht der Einzelfall bleiben, sondern zum Regelfall werden.

[1] www.baunetz-architekten.de/gruber-popp

Weitere Infos zur Veranstaltung: www.difu.de/veranstaltungen/2018-02-21/schulbau-und-bildungsarchitektur.html

Autor:innen

Doris Gruber

Doris Gruber ist Architekten und gründete 1992 zusammen mit Bernhard Popp das Büro Gruner + Popp Architekten BDA. Seit 2010 begleitet sie als Mitglied des Redaktionsbeirats der Montag Stiftung Jugend und Gesellschaft die Formulierungen von Qualitätsstandards zeitgemäßen Schulbaus. Am 21.02.2018 sprach sie bei der Vortrags- und Dialogreihe „Dialoge zur Zukunft der Städte“ des Deutschen Instituts für Urbanistik in Berlin.