Zeitgemäße, lernförderliche Umgebungen schaffen, Schul- und Unterrichtsentwicklung fördern und multiprofessionelle Teams stärken: diese Ziele des Startchancen-Programms unterstützen wir als Bildungsstiftung und freuen uns, dass endlich Ungleiches ungleich behandelt wird, um wirkliche Veränderung zu schaffen. Auch befürworten wir den im Programm berücksichtigten Zusammenklang von Pädagogik und Architektur für eine wirkungsvolle Umsetzung der Startchancen-Ziele.
Durch Gespräche mit verschiedenen Akteur*innen aus Bildungsministerien, Schulverwaltung, Schulamt und Schule und die Begleitung einzelner Schulen konnten wir drei zentrale Herausforderungen identifizieren, auf die jetzt dringend – für eine wirkungsvolle Umsetzung des Programms – reagiert werden muss:
Herausforderung 1: übergreifende Verantwortungsgemeinschaft
Ein zentrales Merkmal für den Erfolg des Startchancen-Programms stellt die verbindliche Kooperation von Bildungsverwaltung/Schulaufsicht, den Schulträgern (inkl. der Bauverwaltungen) und den Akteur*innen der Schule/Schulleitung dar. Ziele werden gemeinsam formuliert, Maßnahmen gemeinsam geplant und dadurch eine Verantwortungsgemeinschaft aus inneren und äußeren Schulangelegenheiten gebildet. Diese Verantwortungsgemeinschaft braucht neue Entscheidungsgrundlagen und Steuerungsabläufe, die gemeinsam ausgehandelt und definiert werden müssen.
Hierfür benötigt es jedoch ein Verständnis für die Arbeitsweisen und Expertisen der einzelnen Akteur*innen:
Schulaufsicht nimmt eine begleitende, beratende und unterstützende Rolle ein, die vor allem die pädagogischen Qualitätserfordernisse an Schule im Blick behält.
Schulleitung fokussiert auf die pädagogische Qualität, darf dabei aber äußere Schulangelegenheiten wie die Gestaltung des Schulgebäudes und -geländes nicht aus dem Blick verlieren. Ihre Aufgabe ist es jedoch nicht, zu entscheiden, welche baulichen Maßnahmen geplant werden oder welches Mobiliar angeschafft wird. Die Expertise liegt in der pädagogischen Arbeit, den inneren Schulangelegenheiten.
Schulträger fokussiert auf die äußeren Schulangelegenheiten – das Gebäude und die Ausstattung. Aufgabe ist es, Maßnahmen anzuregen, die auf die pädagogische Konzeption abgestimmt sind bzw. einen gemeinsamen Prozess zu initiieren und eine externe Begleitung auszuschreiben bzw. zu beauftragen.
Es wird deutlich: Die Expertisen müssen vereint und gemeinsame Entscheidungen getroffen werden. Bevor der Schulträger bauliche Veränderungen beauftragen kann, muss die Schulgemeinschaft gemeinsam mit der Schulaufsicht einen pädagogischen Prozess durchlaufen, aus dem heraus Anforderungen für die Architektur entstehen. In der Logik der Säulen des Startchancen-Programms ergibt sich daraus Folgendes:
Zunächst sollte im multiprofessionellen Team (Säule 3) Schulentwicklung gemeinsam gestaltet werden (Säule 2), die die Grundlage für darauf abgestimmte bauliche Maßnahmen (Säule 1) bildet. Die Architektur folgt dem pädagogischen Konzept – nicht umgekehrt. Nur durch eine enge Verzahnung von Raumgestaltung und pädagogischen Zielen kann eine zukunftsfähige Bildung gewährleistet werden. Ein Prozessbegleitungsteam bestehend aus Pädagog*in und Architekt*in unterstützt die verschiedenen Akteur*innen dabei, diesen Prozess zu moderieren und zu beraten sowie eine nachhaltige Wirkung zu erzielen.
Herausforderung 2: Fehlende Rahmenbedingungen
In einigen Bundesländern sind bisher keine zentralen Ansprechpersonen benannt und Gelder können noch nicht beantragt werden. Obwohl das Programm seit fast einem Jahr läuft, wurden die Förderrichtlinien noch nicht in allen Ländern veröffentlicht, sodass eine Planung von Maßnahmen erschwert wird.
Das führt zu einer Überforderung und Hilfslosigkeit verschiedener Akteur*innen, da Abläufe unklar sind und sie sich im Stich gelassen fühlen. Die Länder sollten die Fragestellungen der Akteur*innen ernst nehmen und darauf gezielt mit Veranstaltungsformaten und Unterstützungsangeboten reagieren. Die Vernetzung untereinander ist gewinnbringend, um Erfahrungen zu teilen und Ideen und Inspirationen auszutauschen.
Herausforderung 3: (Fehl-)Interpretation der Förderrichtlinien
Eine weitere Herausforderung stellt die Interpretation der Förderrichtlinien dar. Einige Schulträger wollen schnell starten, um Wirkung zu erzielen. Sie führen für Investitionen aus Säule 1 eine Abfrage an allen Schulstandorten durch, bei der Schulleitungen rückmelden können, was sie als notwendig erachten. Das führt zum Beispiel dazu, dass in einer Übersprungshandlung Möbel bestellt werden, die nachher nicht pädagogisch bespielt werden können und die untereinander und nicht auf die vorhandenen Räumlichkeiten abgestimmt sind. Ebenso wird die Chance oft vertan, die architektonische Kompetenz mitzuintegrieren, um durch die Planung von kleinen Umbaumaßnahmen, ein verändertes Brandschutzkonzept sowie durch eine veränderte Möblierung große Wirkung für die pädagogische Arbeit in Bestandsgebäuden zu erzielen.
Übertragen wir unsere jahrelangen Prozesserfahrungen an der Schnittstelle von Pädagogik und Architektur, fordern wir, das Startchancen-Programm als Ganzes zu betrachten (alle drei Säulen vereint) und, zunächst einen pädagogischen Prozess zu durchlaufen (Wie wollen wir gemeinsam in Zukunft lernen?), um die (Innen-)Architektur dann auf eine zukunftsweisende Pädagogik anzupassen oder auch zu verändern (Welche Flächen und Möbel benötigen wir dafür?).
Der Vorteil dieser Prozesse ist, dass Expert*innen aus Architektur und Pädagogik von extern begleiten und ihre Expertisen verbinden können. Viele Länder benennen die Planung von Prozessen explizit in ihren Förderrichtlinien für die Säule 1, zum Beispiel Nordrhein-Westfalen: „4.2.3 Vorbereitungs- und Begleitmaßnahmen, die unmittelbar mit einer Maßnahme im Sinne der Nummern 4.2.1 und 4.2.2 verbunden, befristet, und zur Verwirklichung des Investitionszwecks erforderlich sind, jedoch nicht dem dauerhaften Betrieb dienen. Hierzu zählen insbesondere: Maßnahmen zur Konzeptionierung, Vorbereitung und Planung sowie die damit verbundenen Konsultationsprozesse (Leistungen Dritter außerhalb der Verwaltung) […]“. Teile des Prozesses können auch im Rahmen der Schul- und Unterrichtsentwicklung von Säule 2 finanziert werden, wobei das frei verfügbare Drittel der Schulen hier anteilig geringer ausfällt als die zur Verfügung stehenden Gelder in Säule 1.
Viele Schulträger denken bei der Säule 1 zunächst an die sanierungsbedürftigen Toiletten oder das undichte Dach an ihren Standorten. Jedoch regelt die Bund-Länder-Vereinbarung: „Es geht nicht darum, ohnehin notwendige Instandsetzungs- oder Sanierungsmaßnahmen zu finanzieren, sondern um eine echte Attraktivitätssteigerung der Startchancen-Schulen“ (S. 7). Vielen Akteur*innen bleibt unklar, wofür die Mittel genau verwendet werden können.
Wichtig zu wissen ist, dass die Gelder aus Säule 1 über die Jahre angespart werden können und keine Notwendigkeit besteht, direkt Maßnahmen zu beauftragten. Dennoch ist es wichtig, einen Prozess nun zu beginnen, damit in ein bis zwei Jahren Beauftragungen erfolgen, sodass alle Maßnahmen bis 2034 abgeschlossen und finanzierbar sind.
Fazit: Mutig Wandel voranbringen!
Schulen im Startchancen-Programm haben die Möglichkeit, ihre Schulautonomie auszuweiten und mutig Wandel voranzubringen: „Startchancen-Schulen profitieren von besonderen Gestaltungsspielräumen bei der Umsetzung des Programms. Diese finden […] vor allem Anwendung in Bereichen der Budgetverantwortung, Personalverantwortung und der Option zum Abweichen von Rahmenvorgaben, im Sinne eines begründeten Abweichens von curricularen Richtlinien und schulrechtlichen Vorgaben bei Aufrechterhaltung und kontinuierlicher Überprüfung des Outputs durch die Schulaufsicht“ (Bund-Länder-Vereinbarung, S. 9).
Der Modellcharakter der Schulen muss genutzt werden, um Neues auszuprobieren und Dinge auch mal anders zu machen, als man sie immer schon gemacht hat. Innerhalb der Verantwortungsgemeinschaft mit der Schulaufsicht ist es Aufgabe der Schulleitung, das eigene Team zu motivieren und animieren, um neue Ideen zu entwickeln.
Wir als Stiftung engagieren uns für die Unterstützung der Akteur*innen in der Praxis, damit das Startchancen-Programm nachhaltig Wirkung erzielt und möglichst alle Kinder und Jugendlichen qualitative Bildungsangebote in einer zeitgemäßen, ästhetischen und lernförderlichen Umgebung erhalten.
Über unsere Projekte und weitere Veranstaltungsformate informieren wir über diesen Blog.
Unsere nächsten Veranstaltungen:
Startchancen Säule I im Gespräch (14.05., 26.06.2025)
3, 2, 1… Startchancen! Fachtag zum Startchancen-Programm in NRW (20.05.2025)