Im Februar 2020 haben wir drei Schulen in Vorarlberg (Österreich) besucht, die alle in Clustern organisiert sind. Bevor über einen Architekturwettbewerb für einen Neubau entschieden wurde, hatte die zuständige Baubehörde ein pädagogisches Profil angefordert. Die Schulen haben den Wettbewerb als Chance genutzt, sich inhaltlich zu profilieren und im Gegenzug Schulbauten erhalten, welche sie räumlich unterstützen, sich auch zukünftig pädagogisch weiterzuentwickeln.
Die Blumenwiese / Volksschule Lauterach
Schon im Wettbewerbskolloquium war der Schulleiterin das besondere Interesse des Architekturbüros feyferlik/fritzer aus Graz an Alltag und Abläufen in der Schule aufgefallen. Als einziges Team haben sie ein zentrales Anliegen der Schule in ungewöhnlicher, aber auch herausragender Art umgesetzt: Mit dem Neubau soll der direkte Außenbezug gestärkt werden.
Die zu klein gewordene Volksschule (Grundschule) bestand aus einem Schulhaus aus den 30er Jahren und einem Erweiterungsbau aus den 50ern, welches stark baufällig geworden war und abgerissen werden sollte. Umgeben war die Schule von einer ausgedehnten Grünfläche mit altem Baumbestand, welche bisher wenig in das Schulleben einbezogen wurde. Die Architekten feyferlik/fritzer lösten die Herausforderung mit einem Ring aus eingeschossigen Pavillons für vier Cluster, die sich wie eine Blumenwiese, mit Rücksicht auf die alten Bäume, um das zentrale Schulhaus aus den 30er Jahren gruppiert. Der Altbau wurde als Arbeitsplatz für die Schulverwaltung umfunktioniert und im Erdgeschoss mit den gemeinschaftlichen Funktionen wie Cafeteria und Bibliothek ergänzt.
Mit den Pavillons wird zwar ein erheblicher Teil des Freiraums überbaut, dafür sind aber die verbleibenden Außenbereiche direkt von jedem Cluster aus zugänglich. Die Cluster selbst bestehen aus vier nebeneinander angeordneten Klassenräumen – teils mit Zwischenzonen – und einer vorgelagerten Gemeinschaftsfläche. Diese wird mit unterschiedlichen Möbeln weiter zoniert: gläserne Besprechungsbox, Wasserversorgungstation mit angedockten Werkstatttischen, Teamtheke mit Computerarbeitsplätzen für Schülerinnen und Schüler, abschließbare Materialschränke und mobile Garderoben.
Durch den hohen Platzbedarf der Pavillonlösung fallen im Nebeneffekt auch die Parkplätze auf dem Grundstück weg. Das trifft ein weiteres Anliegen der Schulleitung, welche die Lehrteams dazu bewegen möchte, in der Schule zu arbeiten und die personalisierten Arbeitsbereiche im Cluster zu nutzen. Ergänzend stehen im Altbau ein Ruhe- und Kommunikationsbereich für die Mitarbeitenden zur Verfügung. Schulmaterialen müssen nicht mehr mit nach Hause genommen werden.
Raumfolgen der Cluster
Die große Stärke des Entwurfs liegt in den ineinander übergreifenden und fließenden Übergängen. Alle typischen Flaschenhalssituationen einer Schule werden räumlich entzerrt und im Gegenzug Gemeinschaftsflächen ausgebildet, die im täglichen Ablauf flexibel nutzbar und mehrfach bespielbar sind.
Die langgezogenen überdachten Eingangszonen der Cluster sind mit Sitzbänken und kleinen Schaufenstern zu den Clusterräumen ausgestattet und dienen auch als Rückzugsnischen des Schulplatzes, den sie ringförmig umschließen. Hinter den Eingängen führt eine große Sauberlaufzone zu einem langgestreckten Garderobenbereich mit viel Bewegungsfläche, der aufgrund der mobilen Garderobenmöbel auch als Programmfläche genutzt werden kann. Bemerkenswert sind die kleinen Nutzungsdetails: Im überdachten Eingangsbereich ist ein Gitter angebracht, in das nasse Regenschirme eingehängt werden können. Die Schuhregale sind hoch genug auch für Winterschuhe und eine Mulde in der Ablagefläche verhindert, dass Handschuhe und Mützen auf den Boden rutschen, wenn Jacken von der Garderobe genommen werden. Ein niedriges Waschbecken als Einzelmöbel kann mit weiteren Rollmöbeln ergänzt werden und dient als Experimentierfläche oder Clusterküche.
Die zentrale Mitte schafft ein ausdifferenziertes Raumangebot und lädt durch ihre vielfältige Ausstattung zu einer Vielzahl ganz unterschiedlicher Lernsettings im Schulalltag ein.
Die Klassenräume sind zur Clustermitte hin großflächig verglast, wobei die transparenten Wände auch als Displayfläche dienen und mit einem Schienensystem für Wandtafeln versehen sind. Mittels großer Schiebelemente aus Glas können fließende Übergänge zwischen den Stammflächen und der Mitte hergestellt werden.
Den Räumen ist zur Umgebung hin eine Art Wintergarten als gläserner Klimapuffer vorgelagert, der als weiterer Differenzierungsbereich der Clusterräume dient. Als leicht erhöhtes Raumelement wirkt er wie ein Bühnenpodest oder tiefes Blumenfenster und wird von den Kindern als Lernflächenerweiterung mitgenutzt. bzw. bietet eine transparente Kommunikationsfläche zur Nachbarschaft.
Mit Ihren ausdifferenzierten Boden- und Wandflächen erinnern die Cluster mehr an Wohnarchitekturen. Durch die vielen Holzoberflächen und das Licht von drei Seiten – die eingeschossigen Pavillons werden durch Oberlichter natürlich belichtet – entsteht eine warme und herzliche Atmosphäre, in welcher sich Schülerinnen und Schüler sowie die Lehrkräfte und pädagogischen Fachkräfte außerordentlich wohl fühlen. Mit einer Vielzahl von Raumideen und Details wirkt die Architektur der Clusterpavillons alles andere als klar und gradlinig und ist daher in Vorarlberg – die Architekten kommen aus Graz – eine besondere Herausforderung. In der Tat wirken manche Lösungen zunächst ungewöhnlich oder eigensinnig. Die große Stärke der Architektur ist jedoch, dass sie eine Vielzahl neuer Nutzungen geradezu einfordert und eine räumliche Lösung für die unterschiedlichen Bedarfe der Lehrkräfte und Grundschulkinder bietet.