02. September 2015; Von: Caroline Eckmann

Als Architektin unter Pädagogen – ein Interview

Seit einem Jahr leitet die Architektin Barbara Pampe den Projektbereich „Pädagogische Architektur“ in der Montag Stiftung Jugend und Gesellschaft. Ein Interview.

Wie fühlt man sich als Architektin unter lauter Pädagogen?

Wertgeschätzt, manchmal als Exotin, und insgesamt als jemand, der bzw. die für ihre Expertise in Fragen der Architektur, der Gestaltung und der äußeren Form gefragt ist.

Wie und wann bist du als Architektin auf das Thema Schulbau aufmerksam geworden?

Natürlich als erstes im Studium, dann im Büro bei Schulbauwettbewerben – und im „Tieftauchgang“ bei Arno Lederer am Institut Öffentliche Bauten und Entwerfen, bei der Betreuung einer Vielzahl von Schulbauentwürfen, Schulbauseminaren und Exkursionen; dort war ich dann auch an der Veröffentlichung „Raumpilot Lernen“ (Karl Krämer Verlag) beteiligt. Auch bei den Montag Stiftungen habe ich als externe Expertin und Mitglied im Fachbeirat für die Beispielsammlung „Lernräume Aktuell“ bereits vor meiner aktuellen Tätigkeit mitgearbeitet.

Können Räume wirklich bessere Bildung machen? Ein beliebtes Klischee ist ja, dass gute Lehrer überall gut unterrichten können.

Ja, aber es macht allen mehr Spaß und Vergnügen in wohl proportionierten Räumen mit guter Belichtung und ansprechenden Materialien sich aufzuhalten. Die Wohlfühlkomponente und der Spaß spielen beim Lernen eine große Rolle. Außerdem können Raumstrukturen die heutigen Formen von Lernen und Lehren maßgeblich unterstützen, so dass es nicht nur mehr Spaß macht, sondern auch die Qualität und Variabilität erhöht. Umgekehrt kann Architektur auch bestimmtes Lernen verhindern, durch zu kleine Räume, zu wenig Transparenz, einen fehlenden räumlichen Verbund, nicht geeignete Akustik, fehlende Räume für bestimmt Notwendigkeiten (Lehrerarbeitszimmer, Besprechungsräume, Pflegeräume etc.). Es gibt also harte und weiche Faktoren, wobei die weichen nicht zu unterschätzen sind. Schließlich ist die Raumerfahrung in guten Räumen essentiell für die ästhetische Bildung.

Worum geht es bei der Schulbauoffensive der Montag Stiftungen, welche gemeinsame Klammer haben die Projekte?

Die Klammer ist der Dialog und die Verbindung zwischen Pädagogik und Architektur. Dass beide Disziplinen sich aufeinander einlassen und in der gemeinsamen Entwicklung von Lösungen eine Qualität hervorbringen, die eine Disziplin alleine im Schulbau einfach nicht erreichen kann. Gute Bildung in leistungsfähigen Schulbauten hat eine wichtige Funktion für die Entwicklung unserer Gesellschaft, deshalb engagieren wir uns dafür.

„Partizipation“ und „Beteiligung“ sind ja für Architekten nicht selbstverständlich. Andererseits ist die Phase Null inzwischen überall Thema. Wie siehst du die Entwicklung? Gibt es eine?

Ja, es gibt eine. Es gibt immer mehr Architekten, die den Mehrwert der Partizipation erkannt haben und Methoden entwickeln, die Nutzerinnen und Nutzer in den Planungsprozess mit einzubeziehen. Es gibt glücklicherweise auch immer mehr Bauherrn, die den Mehrwert erkennen. Daher ist es ein guter Zeitpunkt, dies nicht nur einzufordern, sondern sie auch von der notwendigen Qualität der Prozesse zu überzeugen.

Du bist viel unterwegs, wie sind die Reaktionen auf das Thema? Gibt es Unterschiede zwischen den verschiedenen Professionen?

Die Pädagogen sind dankbar, weil sie durch die Prozesse eine stärkere Stimme bekommen. Die Architekten sind manchmal skeptisch bei der Beteiligung von Nutzerinnen und Nutzern. Sie haben Angst, dass diese bei der Gestaltung zu sehr mitreden wollen und erkennen noch nicht den Mehrwert, dass es nämlich essentiell ist, wenn die Nutzer ihnen erklären, wie Schule heute funktioniert. Der Wandel in der Pädagogik und die damit verbundene räumliche Konsequenz ist noch nicht bei allen angekommen.

Was fehlt noch, um das Thema „Phase Null“ weiter zu etablieren?

Mehr Schulbauberaterteams aus Schulentwickler und Architekt, die die Prozesse moderieren, steuern und beraten. Und natürlich die Erkenntnis der Kommunen, dass diese Prozesse nicht die Verfahren verlängern und die Kosten erhöhen, sondern auf die lange Sicht die Planungs- und Bauphase effektiver und nachhaltiger gestalten.

Die Stiftung engagiert sich dafür, die Phase Null in die Breite zu tragen. Wie kann man dabei das eigene Verständnis von Qualität transportieren, auf die ja bei den Montag Stiftungen großer Wert gelegt wird?

Wir versuchen dies mit verschiedenen Arten der Verbreitung und mit unterschiedlichen Medien. Das Handbuch „Schulen planen und bauen“ liefert Grundlagen aus Architektur und Pädagogik und einen möglichen Aufbau und die inhaltliche Gestaltung der Phase Null, die Theorie zur Umsetzung sozusagen. Die Pilotprojekte zeigen die Umsetzung in der Praxis. „Phase Null – Der Film“ dokumentiert die Praxis und zeigt die Umsetzung der im Buch entwickelten notwendigen Qualität anhand eines Beispiels. Parallel startet eine Auslobung für die Finanzierung fünf weiterer Phase-Null-Prozesse, bei denen wir den Fokus auf die Auswirkung von Inklusion auf Raum setzen. Als vierte Komponente bieten wir wieder ein Weiterbildungsseminar für Architekten und Pädagogen an, die im Bereich Schulbauberatung gemeinsam im Dialog mit der jeweiligen anderen Disziplin aktiv werden wollen.

Die Stiftung startet in diesem „Schulbaujahr“ viele Projekte. Gibt es schon Ideen für die Zeit danach? Welche Themen werden in Zukunft wichtig?

Durch die Arbeit in Theorie und Praxis an den vorher genannten Projekten und noch weiteren (Forschungsstudie Inklusion und Raum, Bildungslandschaften etc.) entwickeln sich ständig neue Fragestellungen. Momentan merken wir, dass die Schnittstellen und Übergänge zu den folgenden Phasen und Verfahren noch ungeklärt sind und man darüber nachdenken muss, wie man die Ergebnisse in die weiteren Phasen weiterträgt. Ebenso wird es spannend werden, die gebauten Ergebnisse der Projekte sich genauer anzuschauen. Auch gibt es Themen, die eigentlich noch zu kurz gekommen sind, wie z.B. der Außenraum der Schulen. Aufgrund der momentanen Flüchtlingszuwanderung tauchen Fragestellungen wie die Frage nach der Schaffung und Gestaltung von temporären Schulbauten vermehrt auf. Wie kann man temporäre und trotzdem qualitätvolle Interimslösungen schaffen. Über konkrete Anschlussprojekte werden wir dann zur gegebenen Zeit diskutieren und entscheiden.

Was ist für dich persönlich beim Thema Schulbau in nächster Zeit die wichtigste Herausforderung?

Den Wandel in der Pädagogik und die damit einhergehenden notwendigen Änderungen in der Schulbautyplogie bei den Architekten zu kommunizieren. Den Dialog zu fördern und den Blick über die Grenzen von Deutschland hinaus einzufordern (und zu öffnen).

Hast du einen Tipp für Pädagogen im Umgang mit Architekten?

Pädagogen rate ich, den Architekten in der architektonischen Umsetzung ihrer Bedürfnisse und Anforderungen an den Raum zu vertrauen, damit sie mit Spaß und Freude ihre Arbeit umsetzen können. Es ist wichtig, dass Pädagogen versuchen, die Aktivitäten in der Schule gut zu beschreiben und nicht konkrete Räume einfordern.

Und ein Tipp für Architekten?

Den Pädagogen zuhören und versuchen, nicht aus der eigenen Schulerfahrung Schulen zu planen, sondern sich auf die veränderten Anforderungen einzulassen. Es ist wichtig, den Dialog mit den Pädagogen zu suchen.

Dipl.-Ing. M.Eng. Architektin Barbara Pampe ist seit 2014 Projektbereichsleiterin bei der Montag Stiftung Jugend und Gesellschaft und verantwortet den Bereich Pädagogische Architektur. Barbara Pampe studierte Architektur in Bordeaux, Weimar und Delft. Sie leitete Projekte in Architekturbüros und war als freie Architektin tätig. Im Bereich Schulbau forschte und lehrte sie am Institut für Öffentliche Bauten und Entwerfen der Universität Stuttgart bei Prof. Arno Lederer. 2011 – 2014 hatte sie eine Professur für Entwerfen und Gebäudelehre an der German University in Cairo inne. Barbara Pampe ist Mitgründerin von „baladilab“ sowie Verfasserin und Mitherausgeberin diverser Publikationen.