12. Mai 2017; Von: Norman Heise

Facharbeitsgruppe Schulraumqualität Berlin – Warum sich Elterninitiative lohnt

Berlin hat sich auf den Weg gemacht, den Schulbau zu revolutionieren. Ein Blick auf den Prozess von Norman Heise, Vorsitzender des Landeselternausschusses.

Eine Dekade lang versuchten sich Elternvertreter/innen bezirksübergreifend in der Verbesserung des Themas Schulsanierung in den Berliner Bezirken und auf Landesebene. Das Land Berlin hat leider viel zu viele Jahre die Sanierung von Schulgebäuden vor sich hingeschoben und die Bezirke nicht mit den notwendigen Mitteln für Bauunterhalt ausgestattet. Generationen von Schüler/innen haben und hatten erheblich unter der Untätigkeit zu leiden, die Verantwortlichen haben es ihnen alles andere als leicht gemacht. Laut Aussagen des ehemaligen regierenden Bürgermeisters war die Stadt „arm, aber sexy“. Die Schulen waren sicherlich vieles, aber sexy waren die wenigsten. Und dafür gab noch keine öffentliche Entschuldigung von den Verantwortlichen auf Landes- und Bezirksebene.

Viele Gespräche mit Verantwortlichen auf unterschiedlichen Ebenen führten zu keinen Verbesserungen. So wurde eine erste „Marketingmaßnahme“ gestartet, die im Laufe der Jahre zum Symbolträger für die maroden Schulen Berlins wurde: Elternvertreter/innen aus Steglitz-Zehlendorf, einem Bezirk mit besonders vielen alten und sanierungsbedürftigen Gebäuden und „beratungsresistenten“ Politiker/innen, starteten im Dezember 2014 die Aktion Adventskalender. Hinter 24 Türchen wurden Berlins schlimmste Schulen der breiten Öffentlichkeit und der Politik präsentiert [1]. Die Aufmerksamkeit war hoch, die Konsequenzen ließen aber auf sich warten. Von da an kam das Thema auch langsam in der Politik an. Das war aber auch dem Zustand der Gebäude zu verdanken – es lösten sich Teile von Dächern und aus der Fassade, auch ganze Fenster gingen verloren und aus Kellern sprudelten plötzlich Quellen.

Blick über den Tellerrand

Hinzu kam ab 2015 eine Wachstumsprognose für die Bevölkerung der Stadt, die viele neue Schulen nötig machen würde. Bauzeiten für Schulneubauten lagen damals bei 8-10 Jahren.
Als Landeselternvertretung nahmen wir in den zuständigen Verwaltungen eine Rat- und Ideenlosigkeit war. Das war für uns der Startschuss selbst noch stärker aktiv zu werden. Wir haben recherchiert und über den Tellerrand der Stadt hinausgeschaut. Hamburg war und ist in Bildungsfragen der Stadt Berlin immer ein Stück voraus und so fanden wir dort die »Schulbau Hamburg«. Ein Landesunternehmen, das für den Schulbau zuständig ist, fristgerecht saniert und Schulen auch in drei Jahren neu entstehen lässt [2]. Wir nahmen Kontakt auf und wenig später wurden wir eingeladen, uns vor Ort die Umsetzung anzuschauen und mit den Verantwortlichen ins Gespräch zu kommen. Wir haben einen halben Tag in Hamburg verbracht und waren total von den Socken, wie man hier Prozesse gestaltet und Bauvorhaben umsetzt. Es war auch unser erster Kontakt zur sogenannten Planungsphase Null [3].

Zurück in Berlin haben wir natürlich fleißig und ausgiebig – auch in Richtung der Politik – berichtet. Vereinzelt gab es Nachfragen und Gesprächstermine mit der Politik, aber der Funke, der bei uns entzündet war, sprang noch nicht so richtig über. Zusammen mit der Konrad-Adenauer-Stiftung organisierten wir im Frühjahr 2016 die Veranstaltung »Berliner Schulbau als Zukunftsaufgabe oder nur etwas für Sonntagsreden?« [4] und luden Ewald Rowohlt, Geschäftsführer der Schulbau Hamburg und den damaligen Münchener Schulstadtrat Rainer Schweppe ein. Die Herren stellten uns ihre Vorgehensweise zum Thema Sanierung und Neubau vor. In der anschließenden Podiumsdiskussion mit Bildungssenatorin Sandra Scheeres und Bezirks- und Landespolitiker/innen wurden dann sehr überraschende Zusagen getroffen.

Optimierte Planungsprozesse und die FAG Schulraumqualität

Ziel war die Verkürzung der Verwaltungsprozesse im Schulneubau und die Erfassung des Sanierungsbedarfes an allen Berliner Schulen. Bezirke und Landesverwaltungen setzten sich nun an einen Tisch. Verschiedene Expert/innen wurden zur Beratung hinzugezogen, es wurden ressortübergreifende Arbeitsgruppen gebildet und Gelder bereitgestellt.
Wir blieben natürlich weiterhin aktiv und im Gespräche mit Senator/innen, Staatssekretär/innen und dem regierenden Bürgermeister. Der Schulbau wurde zum beherrschenden Wahlkampthema in allen Parteien, um die Stimmen der Eltern für sich zu gewinnen. Am Ende fand sich das Thema auch sehr ausführlich in den Koalitionsvereinbarungen wieder [5]. Unter breiter Beteiligung u. a. von Lehrkräften, Schüler/innen und uns Eltern hat eine Facharbeitsgruppe einen Ergebnisbericht für die Schulen der Zukunft erstellt. Im Koalitionsvertrag ist festgeschrieben, dass neue Schulen nach diesen Empfehlungen gebaut werden sollen [6].

Nun könnte man den Eindruck gewinnen, dass wir uns als Eltern in Berlin auf die Schulter klopfen, zurücklehnen und den Erfolg genießen könnten – machen wir aber nicht, denn es gibt weitere Ziele: Wir fordern, dass das Konzept der »Schule der Zukunft« auch auf die Bestandsschulen angewendet wird [7]. Vor allem wollen wir, dass es nun endlich losgeht. Geld ist vorhanden, aber es fehlt an Fachkräften, die das Ganze umsetzen können und sollen. Viele wichtige Schritte wurden gegangen und viele Hürden wurden genommen. Wir haben als Eltern unzählige Gespräche geführt, Termine wahrgenommen, Briefe und E-Mails geschrieben, uns vernetzt und uns in verschiedenen Bereichen zu Expert/innen entwickelt. Dabei haben wir ein großes Defizit gefunden: Für Städte, Landkreise, Kommunen und Gemeinden gibt es keine bundesweite Austauschebene. Während unserer Recherchen stellten wir fest, dass es anderswo schon Lösungen für unsere Probleme gab. Als einen der wichtigsten Partner und Schnittpunkt für dieses Thema haben wir die Montag Stiftung Jugend und Gesellschaft gefunden – hochprofessionell, kompetent, erfahren und hilfsbereit.
Wir Eltern fordern eine Institution auf Bundesebene als Ansprechpartner – eine Art Kultusministerkonferenz für Schulbau-Themen. Ob das mit Unterstützung der Montag Stiftung Jugend und Gesellschaft, über einen zusätzlichen Ausschuss bei der Kultusministerkonferenz, dem Deutschen Städtetag, dem Deutschen Städte- und Gemeindebund, einer Abteilung beim Bundesbauministerium oder in einem Bundes- oder gemeinsam geförderten Landesinstitut umgesetzt wird, muss geklärt werden.

Die gigantische Summe von 32,8 Milliarden Euro als bundesweiter Investitionsbedarf für Schulbau und -sanierung steht im Raum [8]. Geld, das man nur einmal verbauen kann und dessen Einsatz die Zukunft der Pädagogik für die nächsten 50-70 Jahre beeinflussen wird. Da lohnt es sich, in jedem Fall Kompetenzen zu ergänzen und Synergieeffekte zu nutzen!

[1] www.wunschzettel.stiftungbildung.com

[2] www.hamburg.de/schulbau

[3] www.montag-stiftungen.de/jugpaedagogische-architektur/phase-null.html

[4] www.kas.de/akademie/de

[5] www.berlin.de/koalitionsvertrag-final.pdf

[6] Ergebnisbericht der Facharbeitsgruppe Schulraumqualität der Berliner Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie:
www.berlin.de/sen/bildung/schule/bauen-und-sanieren/neue-schulen

[7] www.leaberlin.de/2017-03-10_Umsetzung_des_FAG-Ergebnisses.pdf

[8] KfW Kommunalpanel 2017:
www.difu.de/kfw-kommunalpanel_2017.pdf

Autor:innen

Norman Heise

Norman Heise, Vater von zwei Söhnen an unterschiedlichen Schulen in Berlin, ist aktiv auf allen Ebenen der Elternvertretung – von der Klasse seiner Kinder bis auf Bundesebene. Auf Schulen-planen-und-bauen.de schreibt er in seiner Rolle als Vorsitzender des Landeselternausschusses (LEA) von Berlin.