Im Rahmen der Reihe „Baukulturfilme“ zeigte die Internationale Bauausstellung Heidelberg Ausschnitte aus unserem Film »Phase Null« im Karlstorkino. Was die »Phase Null« und die IBA Heidelberg verbindet erörtern wir im Gespräch mit Carl Zillich, dem kuratorischen Leiter der IBA Heidelberg.
Das Motto der IBA Heidelberg lautet „Wissen schafft Stadt“ – um was für ein Wissen geht es dabei?
Wir definieren Wissen als einen inklusiven und ganzheitlichen Begriff. Das Ziel der IBA in Heidelberg ist es, verschiedene Milieus der Wissensgesellschaft abzudecken und dabei die Frage zu stellen, wie sich diese Wissensgesellschaft räumlich manifestieren kann. Wissen soll sich vernetzen und in der Stadt sichtbar werden, um Identität zu schaffen – vom Handwerk über die klassische Bildungsinstitution bis hin zur Spitzencluster-Forschung. Forschungsinstitute sollen zu Schnittstellen und Begegnungsstätten werden, Schulen als Identifikationsorte in den Stadtteilen wahrgenommen werden. Anstatt sie durch Zäune und Regularien abzuschirmen sollen sie teilnehmen am Leben im Quartier. Wir wollen also mit der IBA Heidelberg einerseits dem Wissen dienen und über pädagogische Architektur nachdenken und gleichzeitig eine Vernetzung der verschiedenen Wissensmilieus erreichen.
Um das zu gewährleisten ist der Dialog mit Politik und Verwaltung notwendig. Ist die IBA Heidelberg sozusagen eine große Phase Null, der Versuch, alle an einen Tisch zu bringen?
Ja so könnte man sagen. Bei der IBA Heidelberg geht es natürlich auch darum, bis 2022 Bauten auszustellen, die man sich angucken und erfahren kann. Aber im Grunde sind 10 Jahre Internationale Bauausstellung die Herausforderung, über diesen langen Zeitraum die Lust auf Austausch und auf Dialog zwischen den Disziplinen aufrecht zu erhalten. Und eine Atmosphäre in der Stadt zu erzeugen, hinter der eine Identifikationsebene steht. In vielen Teilprojekten haben wir natürlich auch ganz konkrete Phasen Null: Zum „Haus der Jugend“ führen wir zur Zeit Workshops mit Jugendlichen durch. In einem WhatsApp-Forum wird den Jugendlichen die Gelegenheit gegeben, ihre eigenen Ideen für den Neubau einzubringen. Derzeit beteiligen sich ca. 100 Leute an der Diskussion und tauschen online Ideen aus. Die Kommunikationsarbeit der IBA Heidelberg reicht also von einem politischen Diskurs bis zu konkret angewandten Phasen Null.
In den Projekten sind also nicht nur Architekten, Stadtentwickler und Stadtplaner gefragt, es werden auch andere Disziplinen und Akteur/innen in den Dialog eingebunden?
Wir sind eine IBA der Anmaßung – einerseits, weil sich die Stadt Heidelberg in positivem Sinne anmaßt, zum ersten Mal eine kommunale IBA aufzustellen. Mittelfristig soll das mit Unterstützung des Landes passieren. Zurzeit sind wir ein eher überschaubares Team. Im Kernteam sind daher nicht alle Disziplinen vertreten, wir arbeiten aber mit den entsprechenden Experten zusammen. Im Kuratorium sitzen Architekten und Stadtentwickler, Ethnologen und Sozialwissenschaftler. Trotzdem stehen wir mit unseren limitierten Mitteln vor großen Herausforderungen eine adäquate Phase Null durchzuführen. Wir trauen uns proaktiv auszuprobieren, was so noch nicht gemacht wurde.
In der Tradition waren die Internationalen Bauausstellungen eher „Stadt-Reparatur-Betriebe“, da wurden bestehende Notstände verbessert. Anders in Heidelberg, wo die Voraussetzungen gar nicht so schlecht sind. Hier will die Stadt mit der IBA Heidelberg prototypisch in die Zukunft schauen. Umso schwieriger ist es in der Phase Null, die Leute „an Bord zu halten“. Das ist natürlich bei so einem Projekt wie es der Film »Phase Null« zeigt anders, wo echte Notstände herrschen.
Sie haben den Film »Phase Null« in der Reihe „Baukulturfilme“ in Heidelberg gezeigt. Wie kam es zu dieser Idee?
Mit der Filmreihe im Januar versuchen wir Leute zu erreichen, die wir mit dem Thema Baukultur sonst vielleicht nicht erreichen. Mit dem Programm von 2-3 Filmen sollen kinematographische und kineastische Ebenen angesprochen werden. Wir zeigen Biographien (über die Architektenfamilie Böhm) und Dokumentationen wie die »Phase Null«. Damit machen wir im Grunde auch „Werbung“ für die Arbeit der IBA Heidelberg. Auch in unserem Publikum waren Leute, die in der Schulentwicklung tätig sind, die also vor den gleichen Herausforderungen stehen, wie der Film sie zeigt: Nutzer, die im Prozess zu Experten werden, Architektur und Pädagogik, die Hand in Hand gehen und zwischen allen diesen Akteur/innen lohnt sich der Dialog.
Sind die im Film dokumentierten Prozesse auch auf Projekte der IBA Heidelberg übertragbar?
Auch wir agieren zweifach – einerseits halten wir die Baukultur hoch und damit das Expertenwissen von Planern und Architekten. Gleichzeitig versuchen wir, im Sinne der Wissensgesellschaft die Nutzer aktiv einzubinden. Da merkt man dann, dass die unterschiedlichen Ideen, Sprachen und Expertisen erst zusammengeführt werden müssen, um das gemeinsame Projekt zu realisieren.
…wie zum Beispiel in der Reihe IBA_Local – dort wurden Anwohner zum gemeinsamen Stadtteilspaziergang, zur Diskussion und zum Ideenaustausch eingeladen. Wie funktioniert dieses Konzept?
Das Konzept der Stadtteilspaziergänge geht zurück auf Lucius Burghardt, bei dem ich in Kassel studiert habe. Er entwickelte die „Promenadologie“, die Spaziergangswissenschaften als ästhetische und kulturwissenschaftliche Methode zur bewussten Wahrnehmung der Umwelt. In Heidelberg sind wir auf acht Spaziergängen mit einem Feuilletonist oder einem Architekturkritiker und den Stadteil-Vereinsvorsitzenden und um die 100 Interessierten durch jeden Stadtteil gegangen. Im Gehen wurde unmittelbar über das Gesehene diskutiert. Das schafft verschiedene Perspektiven auf die gebaute Umwelt. Gleichzeitig werden situativ und gemeinsam Gedanken und Ideen ausgetauscht, eine Partizipation vor Ort als aktive Handlung. Dieser Erkenntnisprozess ist auch im Film »Phase Null« abgebildet: Das Ringen um eine gemeinsame Lösung, die Komplexität des Prozesses und zugleich die schwebenden Visionen bei den Exkursionen, das Loslösen von alten Mustern und Grenzen.
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