16. Februar 2016; Von: Dr Karl-Heinz Imhäuser

Mein Albtraum von Schulbau

Ein aktueller Beitrag des Fraunhofer-Instituts für Bauphysik macht wieder mal Hoffnung, dass unsere Enkel doch auf andere Schulen gehen werden als wir.

Wie wird die Schule aussehen, in die meine Enkel einmal gehen werden? In meinen schlimmsten Albträumen ist es die Schule, die wir alle kennen und die sich, wenn wir nicht aufpassen, auch von den aktuellen Investitionswellen nicht kleinkriegen lässt: In dieser Schule kommen hinter der Eingangstüre die Flure, an denen rechts und links wie schon seit dem vorigen Jahrhundert und dem Jahrhundert davor ganz schlicht und in alter fordistischer Tradition Klassenräume rechts und links angeordnet sind.

Wenn das so wäre, hätte alles Anarbeiten gegen eine Rückwärtsgewandtheit im Schulbau, das immer noch verbreitete Festhalten am Modell der Klassenraumflurschule und allen daran orientierten Vorstellungen von Lehr- und Lernprozessen nichts genutzt. Die 2015 von der KVW-Bank prognostizierten Investitionen von 33 Milliarden Euro in den öffentlichen Schulbau wären versenkt und einbetoniert in nicht zukunftsorientierte Bildungsbauarchitektur. Es wäre ein Versagen von Pädagogik und Architektur, Verwaltungen und Politik, denen es nicht gelungen wäre, verbindliche Rahmensetzungen für eine Zukunftsorientierung im Schulbau vorzugeben.

Immer wieder fällt mir dazu der Altmeister des Schulbaus in den Niederlanden, Hermann Herzberger ein. Es war einer meiner ersten Vorträge zum Thema, den ich 2007 auf einem Kongress in Hannover hielt – der Redner vor mir war besagter Herrmann Herzberger, schon damals eine lebende Legende. Er schimpfte so vehement gegen die Deutschen Schulbaumeister, dass mir sein Argument eindrücklich in Erinnerung blieb: In Deutschland investiere man einen erheblichen Teil von Sachverstand und Finanzmitteln in die Fassade als Hauptaugenmerk der Gestaltung eines Schulbaus, vernachlässigt würden die inneren Werte. Im Inneren würden im Materialsinne schlichte und im konzeptionellen Sinne rückwärtsgewandte Raumstrukturen ohne großes Nachdenken neu gebaut. In den Niederlanden dagegen würden mehr Sachverstand und Finanzmittel in das Neudenken der inneren Flächenorganisation gelegt und in die vorlaufende Planung mit den Pädagog/innen, um zukunftsorientierten pädagogischen Konzepten den ihnen angemessen Raum zu geben.

Längst sind wir auch in Deutschland einen großen Schritt weiter, aber die Skepsis bleibt, ob die riesigen Mittel, die aktuell investiert werden, auch für die große Chance eines Umdenkens und Neugestaltens von Schulbau genutzt werden. Da macht jede Initiative Hoffnung, die einen solchen Paradigmenwechsel fordert und in die Breite trägt. Genau das tut nun ein aktueller Beitrag in der Rubrik „Forschung im Fokus“ des Fraunhofer-Instituts für Bauphysik, der unter dem Titel „Schulen fürs Leben“ daran erinnert, was heute auf dem Spiel steht:

„Allein 400 Millionen Euro hat das Land Baden-Württemberg in den Schulbau investiert. Trotz dieser konzertierten Aktionen auf politischer, wissenschaftlicher und gesellschaftlicher Ebene bleibt die Frage: Schaffen wir die Herausforderung, Bildungsbauten bereitzustellen, die den massiv geänderten Anforderungen im Bildungsbereich genügen und Menschen die Freude am Lehren und Lernen erhält? Oder schöpft das deutsche Bildungssystem seine Möglichkeiten nicht aus?“

Es werden zahlreiche Aspekte angesprochen, wie Anforderungen an Schule heute aussehen und welche Optionen es auf ganz verschiedenen Ebenen gibt, um dafür Lösungen zu finden. Das Fazit: „Standardlösungen sind kaum möglich; vielmehr gilt es, maßgeschneiderte Lösungen für die individuellen Bedürfnisse zu finden. Wie sich diese vielfältigen Ansprüche in Einklang bringen lassen, ist eine Gemeinschaftsaufgabe aller an der Schulgestaltung Beteiligten, die uns auch noch künftig bewegen wird.“

Meldungen wie diese stimmen mich hoffnungsfroh, dass die Allianzen für die notwendigen Veränderungen im Schulbau in die Breite wachsen und weiter wachsen werden, jeden Tag. Vielleicht werde ich doch überrascht sein, wenn ich mein Enkelkind irgendwann von der Schule abhole und feststellen kann: Meine Alpträume von einem immer gleichen, rückwärtsgewandten Schulbau sind doch nicht wahrgeworden – weil es auf allen Ebenen heute immer mehr Expertinnen und Experten gibt, die entschlossen sind, die aktuell große Chance auf Veränderung zu nutzen.

Fraunhofer-Institut für Bauphysik (IBP): Schulen fürs Leben. Forschung im Fokus, 12. Februar 2016

Autor:innen

Dr Karl-Heinz Imhäuser

Dr. Karl-Heinz Imhäuser, Vorstand der Montag Stiftung  ist Mitglied der Hauptversammlung der Deutschen UNESCO-Kommission und des Expertenkreises für inklusive Bildung.